Josef Kiening : Ortsgeschichte Stockach

Einöde Stockach bei Odelzhausen

Auf einem Hügel über dem Glonntal liegen drei stattliche Bauernhöfe, sogenannte Bauernkönige. Die folgenden Texte sollen als Beispiele für viele gleichartige Protokolle zitiert werden.

Zunächst über das Verhältnis der früheren Bauern zueinander: Eine Feindschaft.

Beispiel einer großbäuerlichen Hofübergabe mit Austragsbrief: Die Personendaten dazu siehe Bauer.

Quelle Briefprotokolle Pfleggericht Friedberg Pr. 42

Übergabebrief am 14. Januar 1779

(Text auf das wesentliche verkürzt und erläutert.)

Der Witwer Johann Walter, Ganzbauer in Stockach übergibt den 1/1-Hof des Klosters Scheyern und den 1/4-Hof auch nach Scheyern freistiftig, dann 3 Eigenäcker 2 Juchert ausmachend und 2 im Egenburger Feld entlegene Äcker an seinen Sohn Anton Walter zu einer Übergabsumme von 3800 Gulden.

Die Übergabesumme berechnet sich wie folgt:

Anschließend wird die Reihenfolge der Auszahlung geregelt: Tochter Afra erhält bei Heirat 700 fl sofort bar. (Dieser Betrag war dem Heiratsgut der einheiratenden jungen Bäuerin zu entnehmen.) Der Rest in Raten von jährlich 150 fl. ab dem Jahr 1780, solange Heiratsgut hereinkommt, dann 100 fl.. (Die einheiratende Braut, so wurde kalkuliert, würde ebenfalls nur einen Teil bar aufbringen und den Rest in Raten von ihrem Elternhaus bekommen. Diese Raten wurden sofort an die Geschwister weiter gereicht. Die weiteren Raten von 100 fl waren vom Hof selbst zu erwirtschaften.)

Der Zehrpfennig ist in Jahresraten von 30 fl zu zahlen. ( Diese Raten liefen unabhängig von der anderen Ratenzahlung. Der übergebende Altbauer, zum Zeitpunkt der Übergabe sicher über 70 Jahre alt, rechnete noch mit einer Lebenserwartung von 25 Jahren. Denn 25 Raten zu je 30 fl waren 750 fl und 50 fl für das Begräbnis ergeben der Zehrpfennig von 800 fl. . Es steht nicht ausdrücklich da, deshalb sind nach dem Tod des Austräglers sein restliches Barvermögen ebenso wie die noch nicht fälligen und bezahlten Raten des Zehrpfennigs an sämtliche Geschwister zu verteilen.).

Die Gebühren für dieses Protokoll waren insgesamt 19 Gulden 7 1/2 Kreuzer.

(Vor der Übergabe war der Consens des Grundherrn, hier das Kloster Scheyern, einzuholen. Vermutlich waren Vater und Sohn im Spätherbst des Vorjahres nach erledigter Erntearbeit mit Pferd oder Wagen zum etwa 50 km entfernten Kloster gereist und haben sich bei dem Abt vorgestellt. Dabei war die gleiche Berechnung der Übergabesumme anzustellen, denn danach berechnete sich das "Laudemium", eine Art Grunderwerb- oder Erbschaftssteuer von 5 bis 7,5 % des Vermögens, zu zahlen an den Grundherrn. Es wird also unterstellt, daß der Hof der Familie Walter 3800 Gulden wert war. Nach dem bezahlten Heiratsgut, das ja Erbanteilen entspricht, wäre er mehr wert gewesen. 2 Töchter erscheinen in der Aufstellung nicht. Sie waren voll ausbezahlt. Die Liste der Kinder in einer Übergabe muß also nicht vollständig sein. Die bereits bezahlten Beträge an Sohn Johann und Tochter Monika fließen ebenfalls nicht in die Berechnung ein. Mit Blick auf das "Laudemium" sollte die Übergabesumme möglichst niedrig sein. Bei einem Verkauf von Anwesen an nicht Verwandte wurden regelmäßig höhere Beträge gezahlt.)

Austragsbrief dazu

Der anschließend an die Übergabe protokollierte Austragsbrief wird im vollen Wortlaut, zur besseren Lesbarkeit aber in moderner Rechtschreibung zitiert. Quellentext in kursiver Schrift.

Austragsbrief nach 3-jährigem Anschlag per 197 fl 36 x - pfg.

(Als "Streitwert", nach dem das Gericht seine Gebühren berechnet, wurden 3 Jahre des Austrages berechnet. Die Berechnung ist im Detail nicht nachzuvollziehen.)

Tax: (Gebühren des Notars)

Vorstehender gutscedierender Wittiber Johann Walter hat bei heutiger Abtretung seines besessenen ganzen und Viertelhofes sich nachfolgenden Austrag und Herberg (Wohnrecht) lebenslänglich reserviert, welchen auch der gutsannehmende Sohn Anton Walter unabdingbar zu befolgen geheißen,

nämlich soll Er austragnehmender Vater mit dem Sohn die Kost über den Tisch, wie sie von Gnaden Gottes beschert wird, auf mittag zu genießen haben in der ord. Hofwohnstube gestattet und (wird) demselben jederzeit auf die Nacht gekocht werden, was ihn allmal anständig erscheinen und seines Leibs Zuständ fordern werden. ( Zum Mittagessen durfte der Austrägler also keinen Sonderwunsch äußern, denn da war keine Zeit, extra für ihn zu kochen. Am Abend jedoch schon. Dabei ist zu bedenken, daß der Austrägler bestimmt zahnlos war, also nicht alles essen konnte.)

Da sie sich aber in die Länge nicht gütlich und einander uneinig (werden) könnten, mithin Er austragnehmender Vater das Apartma (Appartement, Austragsstube ) zu nehmen gezwungen wäre, müßte das vorhandene Stübl, allwo er bis dorthin nächtlich seine Ruhe zu genießen hat, zu dessen beständigen Wohnen und Aufenthaltsplatz angelassen und zu seiner lebenslänglichen Sustendation (Unterhalt ) hingegen alljährlich 2 Schaffl Korn (Roggen) , 1 Schaffl Weizen, 2 Schaffl voll Kraut, 1 Metzgen Rüben, 40 Pfund Schmalz, alle Tag eine Maß Milch , solang eine vorhanden sein wird, zu Weihnachten 20 Pfund Fleisch und 10 paar Würst, auf die Kirchweihe 12 Pfund Fleisch und 6 paar Würst, so oft gebacken wird einen weißen Laib Brot, den siebenten Tag die Eier, was die Hennen legen und den 4. Teil von allem geratenen Obst abgereicht werden.

(Der vorstehende Absatz wurde vom Gericht eingefügt, nur für den Fall, daß sich Alt und Jung nicht mehr vertragen wollten. Normalerweise gilt der Absatz davor, daß der Austrägler bei der Familie mit ißt. Hier sieht man, wie dürftig selbst bei einem reichen Großbauern der Speisezettel war. Die aufgezählten Waren stellten die gesamte Auswahl an Lebensmitteln dar. Der Hof war voll auf Eigenversorgung eingestellt. Einkauf von Lebensmitteln war nicht möglich und üblich, mit Ausnahme der zum Backen erforderlichen Hefe. Kartoffeln waren 1779 hier noch unbekannt, sonst wären sie in der Aufzählung genannt. Außer Mehlspeisen gab es nur Kraut und Rüben. An Weihnachten wurde ein Rind geschlachtet und an Kirchweih wahrscheinlich ein Schwein. Dann gab es große Mengen Fleisch. Da der Austrägler keine 20 Pfund Fleisch in kurzer Zeit essen konnte, wird er geeignete Stücke geräuchert haben. Während des Sommers gab es kein Fleisch. Es wäre zu schnell verdorben. Völlig übersehen wird meist, daß Zucker und Zuckerprodukte, die heute einen großen Anteil der Nahrung bilden, in dieser Liste fehlen. Als Süßungsmittel gab es nur Honig. Dabei werden selbst bei Großbauern-Anwesen selten oder nie Bienenstöcke genannt. Damit gab sich ein Bauer nicht ab. Auch Honig wurde folglich in kleinen Mengen gekauft. Obst-Konservierung war noch nicht üblich. Äpfel waren das einzige lagerfähige Obst.)

Übrigens ... (sind) auch noch so viel Holz und Licht als erforderlich vor die Tür zu richten und alljährlich 3 feine Hemden, 2 Paar Schuhe und 1 Paar Pantoffeln anfertigen zu lassen und verabzufolgen. (Von Hosen ist keine Rede ? Mußte die Lederhose des Austräglers bis zum Lebensende halten ?)

Nichtminder (ist) auch ein Reitpferd, so oft er austragnehmender Vater immer ausreiten wolle, (bereitzustellen.) (Hier zeigt sich der Status des Großbauern. Diese Klausel ist ungewöhnlich. Nur in einem Austragsbrief für eine Witwe des benachbarten Korbini-Bauern in Stockach las ich etwas ähnliches: Immer wenn die Witwe ausfahren wolle, sei ihr ein Pferd am Wagen einzuspannnen. Der Altbauer Walter war noch so rüstig, daß er selbst auf ein Pferd steigen konnte.)

Im Erkrankungsfalle muß er vom Gut aus 4 Wochen lang mit allen Bedürfnissen Gratis ausgehalten und demselben bis zur widerumigen Genesung eine eigene Aufwartung gestellt, dann endlich mit Waschen und das schadhafte von einer Störschneiderin oder dergleichen Naderin repariert und geflickt werden. ( Eine länger als 4 Wochen dauernde Pflege war im Austrag nicht enthalten. In einem solchen Fall wäre dann der "Zehrpfennig", laut Übergabe 800 Gulden als Ersparnis des Austräglers in Anspruch zu nehmen. Das heißt, daß eine länger dauernde Pflege auf Kosten aller 6 Geschwister ginge, denn diese erbten nach dem Tod des Austräglers zu gleichen Teilen den Rest seines Barvermögens bzw. Anspruches auf die noch nicht ausbezahlten Raten des Zehrpfennigs.)

Womit nun dieser Ausnahmsbrief geendigt und nebenbei dies noch ausgemacht worden, daß nach des austraggenommenen Vaters Tod der Austrag wiederum gänzlich zum Gut anheim fällt. Im Übrigen aber ... sein ausbedungener Zehrpfennig 800 fl in Geld ... den Kindern mit einschluß des Gutsbesitzers in gleichen Teilen zukommen solle. Mit diesem also die Teile content und zufrieden, folglich hierauf das obrigkeitliche Handglib ( von Gelübde, Versprechen mit Handschlag) abgestattet worden.

17. Januar 1779

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Lesen Sie zum Vergleich die Übergabe eines Häusels in Baindlkirch im gleichen Jahr. Dort wurde Übergabe und Austrag in einen Brief zusammen gefaßt. Die Gebühr dafür betrug gleich viel, nämlich 8 Gulden 10 Kreuzer.

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(C) Josef Kiening, zum Anfang www.genealogie-kiening.de