Datensammlung Kiening:

Haspelmoor, eine frühe Eisenbahn-Station

Verfaßt von Josef Kiening:

Als um 1841 die erste vollwertige Bahnlinie Deutschlands von München nach Augsburg gebaut wurde, zog Ingenieur Paul Denis weit vorausdenkend eine schnurgerade Strecke durch das Land. Die Trasse war so gerade und eben, daß auf dieser Strecke erstmals in Deutschland 1954 ein fahrplanmäßiger Betrieb mit 200 Stundenkilometern Geschwindigkeit eingeführt werden konnte.

Beim Dorf Hattenhofen quert die Bahnlinie einen Hügel in einem tiefen Einschnitt. Mit dem Kies aus dem Einschnitt wurde der Bahndamm durch das Ostermoos und das Haspelmoor aufgeschüttet.

Der Bahnhof für des Dorf Hattenhofen kam ins Haspelmoor, wo die Straße von Hattenhofen nach Hörbach die Bahn kreuzt. Im tiefen Graben beim Ort konnte kein Bahnhof angelegt werden, denn außer den Gebäuden waren ja weitere Gleise notwendig.

So entstand Haspelmoor. Nach dem Bahnhofsgebäude entstand zunächst eine Wirtschaft, dann weitere Wohnhäuser, heute ein stattliches Dorf.

Die Lokomotiven der Eisenbahn brauchten Heizmaterial. Kohle war in Bayern damals noch nicht verfügbar. Sie konnte allenfalls aus Penzberg mit Flößen auf der Loisach nach München gebracht werden. Deshalb wurden die ersten Lokomotiven mit Torf geheizt. Es lag nahe, diesen Torf gleich neben der Bahn im Haspelmoor zu gewinnen.

Nach dem Bahnhof entstand die "Königliche Torfgewinnungs-Anstalt" in Haspelmoor. Deren Direktor hieß Johann Nepomuk Haspel.

Es war wohl eine Laune, den Herrn Haspel zum Direktor im gleichnamigen Moor zu ernennen. So konnten sich König Ludwig I und seine Nachfolger.den Namen des Beamten leicht merken, wenn der Hofzug in Haspelmoor anhielt, um Torf in den Tender zu laden und der Direktor Haspel dabei am Bahnhof salutierte..

Johann Nepomuk Haspel wurde am 25.12.1817 in Aicha vorm Wald geboren als Sohn des Bernhard Haspel, Beamter in Aicha vorm Wald und Ehefrau Eva Fischer.

Er heiratet in München am 4.4.1845 Maria Clara Schubmall aus München, die am 23.6.1866 starb.

Der Witwer, jetzt "Eisenbahn-Offizial und Verwalter der königlichen Torfgewinnungs-Anstalt" heiratet darauf in zweiter Ehe am 20.11.1866 die Therese,, geboren 29.5.1843 als  Tochter des Bauern Josef Pichler "Schlemmer" in Loitershofen und Magdalena Huber, Wirtstochter aus Hattenhofen. Die Braut brachte neben einem sicher stattlichen Heiratsgut eine besondere Ausbildung mit: Sie war nämlich vom 4.4.1852 bis zum 4.8.1861, also vom 9. bis zum 18. Lebensjahr Zögling im Pensionat der Englischen Fräulein in München. Sie hatte damit die Schulbildung einer "Höheren Tochter". Ohne die Eisenbahn-Verbindung wäre sie kaum nach München in die Schule gekommen. Mit 23 Jahren hat sie dann den angesehensten Mann im Ort  geheiratet, eine passende Partie, auch wenn der Mann 25 Jahre älter war als die Frau.  Der Pfarrherr in Günzlhofen verwendete für den spektakulären Heiratseintrag extra einen ganzen Doppelbogen bei seiner Zweitschrift für das Landsratsamt Fürstenfeldbruck.

Die Eisenbahn und  die Torfgewinnungs-Anstalt brauchte viele Arbeitskräfte. Nur wenige davon kamen aus der näheren Umgebung. Eine größere Zahl kam aus dem Fichtelgebirge und wohnte in den "Arbeiter-Häusern" beim Bahnhof. Es waren  nicht nur Männer, sondern auch Frauen beschäftigt.
Heirat war damals nur mit einer Heiratslizenz der Gemeinde möglich. Für Haspelmoor war die Gemeinde Hattenhofen zuständig. Da mit der Heiratslizenz zugleich das "Heimatrecht", modern ausgedrückt der Anspruch auf Sozialhilfe durch die Gemeinde, erworben wurde, war für die Heiratslizenz ganz allgemein der Erwerb einer Immobilie erforderlich.  Wer ein Haus und damit Vermögen hatte, konnte nicht der "Wohlfahrt" zur Last fallen. Unter dem Titel "Ansässigmachung und Verehelichung" gibt es im Staatsarchiv München einen größeren Bestand an Akten, der nach Namen erschlossen ist und die Anträge auf Heiratslizenzen erhält. Bei diesen  Akten liegen viele Original-Dokumente der Heiratskandidaten,  zum Beispiel Taufzeugnisse, Schulzeugnisse, Impfzeugnisse, Vermögensnachweise, Militär-Entlassungsscheine.

Das Personal der Eisenbahn und der Torfgewinnungsanstalt hatte zwar einen sicheren Arbeitsplatz, aber nicht das Kapital für einen Immobilien-Erwerb. Die Leute bekamen einfache Wohnungen,. die von der Eisenbahn gebaut wurden, in Bahnhofsgebäuden oder in den Arbeiter-Häusern in Bahnhofsnähe.  Die paar Bauern des Dorfes konnten und wollten die soziale Sicherung dieser vielen Arbeiter nicht übernehmen, deshalb gab es keine Heiratslizenzen für Eisenbahner und Torfarbeiter. Folglich konnten diese nicht heiraten.  Kinder bekamen sie trotzdem, auch wenn der Pfarrer noch so geschimpft hat.

1865 wurde die Sozialversicherung eingeführt. Die Heiratslizenz der Gemeinde wurde deshalb abgeschafft. Nun gab es in Haspelmoor eine große Heiratswelle. Alle Torf- und Bahnarbeiter, die schon lange als Paare zusammen lebten und bereits erwachsene Kinder hatten, konnten endlich  heiraten. (Einzeldaten dieser Familien in Haspelmoor, zum Torfwerk  Außerdem kommt das Torfwerk in der Lebensgeschichte meines Onkels Andreas vor)

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(C) Josef Kiening, zum Anfang www.genealogie-kiening.de