Josef Kiening, Genealogie im Gebiet nordwestlich von München

Pfälzer Zuwanderer im Dachauer Hinterland

(geändert 26.2.2016 und 10.10.2019)

Nach der Zuwanderungswelle von 1635 und 1650 in das von den Schweden zerstörte Land blieb die Bevölkerung bis kurz vor 1800 stabil und seßhaft. Die Heiratspartner kamen aus der nahen Umgebung. Erst um 1770 kam eine Krise.

Die Heiratsmöglichkeiten der Bauern waren erschöpft, nachdem alle Familien seit 150 Jahren hier ansässig und alle Bauern unter einander eng verwandt waren. Auffallend häufig blieben nah verwandte Paare kinderlos.

Die Jahre um 1771 fallen durch Mißernten auf. Wahrscheinlich waren die Sommer ganz verregnet und das Getreide wurde nicht reif.
Bereits durch zu viel versprochenes Heiratsgut für die weichenden Geschwister verschuldete Höfe kamen auf die Gant. Sie wurden zwangsversteigert, nachdem manche Höfe schon jahrelang "öd" standen, also nicht mehr bewirtschaftet wurden.

Als Käufer für die verganteten Höfe treten "Pfälzer" auf. Für die hiesige Bevölkerung waren alles Pfälzer, was  nicht die einheimische Mundart sprach. In Wirklichkeit kamen die Pfälzer aus der Rheinpfalz und aus der Oberpfalz, also aus weit auseinander liegenden Gebieten, die nur den Namen Pfalz infolge der Wittelsbacher Herrschaft gemeinsam hatten. Die Sprachbarriere zwischen den Dialekten war vor Einführung der Schulpflicht größer, da die Menschen nicht wie heute Hochdeutsch als gemeinsame Sprache kannten. Die Kinder lernten den ortsüblichen Dialekt natürlich schnell.

Aus der Münchener Perspektive waren die Oberpfälzer arme Leute, während die Dachauer Bauern zu den Reichen gehörten. Verblüffender Weise kauften die Armen die Reichen auf ! Das ist die heutige Sichtweise. Für die Zeitgenossen war es wohl umgekehrt.  In der Rheinpfalz und Oberpfalz war Bevölkerungs-Überschuss, während im Dachauer Hinterland ein Vakuum entstanden war.
 In der Oberpfalz ging die Eisenindustrie-Konjunktur zu Ende, da es im Ruhrgebiet mit  Kohle bessere Energiequellen gab. Eisen-Facharbeiter  aus der Oberpfalz wanderten in das Ruhrgebiet ab.
Den Landwirten fehlten dadurch die Kunden. In  den aufblühenden Städten München und Augsburg entstand ein neuer Absatzmarkt für Lebensmittel. Im Dachauer Hinterland war durch die Aufhebung der Klöster Land frei geworden.  Moore (Dachauer Moos, Erdinger Moos)  und verteilte Gemeindegründe wurden für intensive Landwirtschaft nutzbar.

Bei den Oberpfälzern könnte die Klima-Verschlechterung  mit eine Ursache gewesen sein, siehe Wikipedia "Kleine Eiszeit". Durch die stetige Abkühlung brachte die Landwirtschaft in den Hochlagen weniger  Ertrag  und wurde aufgegeben. Der  Staatsforst kaufte  die Flächen und bewaldete sie.

In der Rheinpfalz war eher das politische Durcheinander, Zerstörung und Vertreibung in der Napoleonzeit Anlass zur Emigration.

Viele Zuwanderer kamen als Familien mit Kindern hier an. Sie brachten so viel Kapital mit, dass sie vergantete Höfe kaufen und wieder in Schwung bringen konnten. Große  Höfe wurde geteilt und zwei verwandte oder befreundete Familien arbeiteten zusammen, um den Betrieb aufzubauen.

Als 1803 in Bayern Religionsfreiheit für alle Christen eingeführt wurde, kamen aus der Rheinpfalz "Protestanten" verschiedener Richtungen, Lutheraner, Calvinisten und Mennoniten. Protestanten aus außerbayerischen Gebieten wurden noch nicht gefunden, auch nicht aus dem von Bayern zu dieser Zeit erworbenen Franken. (Es geht hier um Bauern auf dem Land, nicht um die Stadt München.)

Vor allem die Protestanten beherrschten eine fortschrittlichere Landwirtschaft mit Stallviehhaltung und gezielter Düngung, die auch auf schlechten Böden Getreideanbau ermöglichte.
In den Mooren wurden durch Kultivierung neue Bauernstellen geschaffen, siehe Karlsfeld, Ludwigsfeld, Augustenfeld. Kloster-Eigenbetriebe wurden nach der Säkularisation zu Bauernhöfen aufgeteilt, zum Beispiel bei Kloster Inderdorf der neue Ort Schönberg.

Weitere Zuwanderer kamen aus Südbaden, dem Rheingraben und aus dem Schwarzwald.  Diese waren ebenfalls katholisch.

Die Kinder der katholischen Zuwanderer waren gefragte Heiratspartner der Einheimischen, wahrscheinlich weil sie von ihren fleißigen Eltern reichlich mit Heiratsgut ausgestattet waren. Sie waren mit niemand verwandt und konnten ohne Einschränkung heiraten. So integrierten sich die Zuwanderer innerhalb von 2 Generationen und vermehrten sich explosionsartig.

In den Ahnentafeln der "alteingesessenen" Dachauer Bauern stellen die Pfälzer einen erheblichen Anteil.

Für die Protestanten war die Religion ein Hindernis zur Integration mit der katholischen Stammbevölkerung. Nur ein Teil der Kinder wurde katholisch  oder hat sich angepasst und mit Katholiken verheiratet, wobei die Kinder aus den konfessionell gemischten Ehen katholisch wurden. Erstes evangelisches Gemeindezentrum war in Oberallershausen.

Die Mennoniten blieben eine in sich geschlossene Gruppe bis heute und haben ihr Zentrum im Weiler Eichstock. Sie bevorzugten neu gegründete Siedlungen in ehemals Indersdorfer Klostergütern, in denen sie unter sich waren.  Ein erheblicher Teil der Mennoniten  ist nach 1835 nach Amerika weiter gewandert, da sie hier keine Expansionsmöglichkeit sahen. Einen Aufsatz darüber  "Zur Geschichte der "Überrheiner" in Altbayern" finden Sie in Amperland Jahrgang 41, 2005 Heft 3.

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