Josef Kiening: Genealogie - Datensammlung

Aus der Geschichte von  Baindlkirch

Heute ist Baindlkirch ein etwas abseits der Verkehrswege gelegenes Dorf. Von 1600 bis 1850 ist Baindlkirch jedoch zu den größeren Orten des Gerichtes Friedberg zu zählen.
Zur Pfarrei gehörten die Orte (Häuserzahl Stand von 1812)

Bücher der Pfarrei Baindlkirch

Lücke im Heiratsbuch

Das Heiratsbuch hat eine Lücke von 1760 bis 1772 . Hier wurde versucht, die fehlenden Heiraten durch die Eheverträge in den Briefprotokollen des Pfleggerichtes Friedberg zu ersetzen. Bei den Hofmarks-Untertanen in Vogach und bei Hofmark Hofhegnenberg war das nicht möglich. Hier wissen wir von einheiratenden Frauen nur den Vornamen. Bei einheiratenden Männern oder zuziehenden Paaren ist kein Herkunftsort bekannt.
Die meisten Heiraten vor 1800 enthalten keine Elternangabe. Wenn es im Ort mehrere gleichnamige Familien gab, wurden die Eltern nach passenden  Taufen zugeordnet.

Einträge für Eismannsberg

Das Taufbuch von Baindlkirch enthält viele Taufen für Familien ein Eismannsberg. Alle in Genealogie-Kiening genannten Pfarrbuchdaten in Eismannsberg stammen aus Büchern von Baindlkirch, da die eigentlich zuständige Pfarrei Althegnenberg nicht bearbeitet wurde. Siehe Hinweis Eismannsberg. In meinen Namens- und Taufregistern von Baindlkirch sind die Eismannsberger Taufen nicht enthalten, sondern in Althegnenberg, wo sie eigentlich hin gehören.  Vereinzelt gibt es Taufen anderer Nachbarorte, wie Burgstall, Mittelstetten, Stockach.

Keine Sterbeeinträge für  Kinder vor 1810

Bis etwa 1810 haben die Pfarrer keine Kinder, meist Säuglinge, im Sterbebuch eingetragen. Manchmal wurde im Taufbuch ein Kreuz vor den Taufeintrag geschrieben, aber ohne Datum, so dass nicht ersichtlich ist, wann diese Person gestorben ist.  Die Säuglings-Sterblichkeit lag über 50 %, wie aus den vollständigen Einträgen ab 1810 ersichtlich ist. Vor 1810 starben bestimmt genau so viele Säuglinge. Wir haben das Sterbedatum geschätzt, wenn aus einem Nachlaß die überlebenden Kinder bekannt sind. Bei der Taufe eines gleichnamigen Geschwisters nehmen wir an, dass das Kind mit gleichem Namen vorher schon gestorben ist, da es hier unüblich ist, zwei Geschwister gleich zu benennen. Bei den vielen Taufeinträgen vor 1810 ohne weitere Verbleib-Informationen kann angenommen werden, dass sie (meist im Alter von 3 Wochen)  schon als Säuglinge gestorben sind.


Eine seltene Archivalie ist der Ehaftsbrief des Baders  von Baindlkirch.

Nicht so  ungewöhnlich  ist das folgende

Beispiel einer Hausübergabe in Baindlkirch im Jahr 1779

Das folgende Beispiel einer Übergabe und Heirat ist nicht für Baindlkirch typisch. Es ist in jedem anderen Dorf ähnlich zu finden. Da die Quelle wahrheitsgetreu zitiert werden soll, mußte der Ortsname Baindlkirch genannt werden.

Als Kontrast zu der Übergabe eines Großbauern-Anwesens in Stockach sei hier das Übergabe-Protokoll einer Familie zitiert, die am Ende der sozialen Stufenleiter einzureihen ist. Als Immobilien-Besitzer darf die Familie aber nicht als arm bezeichnet werden.

Im gleichen Jahr 1779 und im gleichen Protokollband (Pfleggericht Friedberg, Pr 42) , in dem der Großbauer Walter in Stockach seinen Ganz- und Viertelhof zu 3800 Gulden an seinen Sohn übergibt, überschreiben die Leerhäusler Philipp und Therese Leedermayr ihr Anwesen um 70 Gulden an die Tochter Walburga. Diese Walburga hatte einen etwas zweifelhaften Ruf, denn sie fand keinen Bräutigam in der näheren Umgebung. Ausführlicher Kommentar dazu nach dem Text.

Das Häusel ohne Landwirtschaft hat gerade 2 % vom Wert des Großbauernhofes. Nach dem Hausnamen Schneiderlipp hat ein Vorbesitzer den Schneiderberuf ausgeübt. Bei der zitierten Familie ist jedoch kein Beruf angegeben. Man lebte vom Tagelohn, Gelegenheitsarbeiten, und versorgte sich mit seiner Kuh in der Gemeindeherde und aus dem Hausgarten, sowie mit seinem Anteil am Gemeinde-Krautgarten selbst.

Beim Großbauern wurden für die Übergabe und den Austrag getrennte Protokolle geschrieben. Die Notar-Gebühren (keine Steuern) waren dort für die Übergabe 19 fl und den Austragsbrief 7 fl., zusammen also 26 Gulden. Bei einem Gesamt-Vermögen von 70 Gulden konnte sich der Häusler natürlich keine solchen Gebühren leisten. Deshalb wurden beide Urkunden zu einer zusammen gefaßt und etwas kürzer formuliert. Die Gebühr war trotzdem noch über 8 Gulden. Das traf den Häusler härter als den Bauern.

Eine mißglückte Heirat: 14. Juni 1779

(Quelle Staatsarchiv München, Pfleggericht Friedberg, Pr 42 Amt Umbach, Schreibweise und Ortsnamen korrigiert:)

Vergleichsbrief 47 fl 20 X.

Zu vernehmen sei hiermit, daß sich zwar Michael Luz lediger Häuslersohn und Schmied-Gesell von Ottmaring dies Gerichts mit Walburga Leedermayrin auch ledige Häuslerstochter von Baindlkirch in ein eheliches Verbündnis einlassen wollten zu dem Ende dieselben auch die gewöhnlichen Stuhlfeste ordentlich abgehalten und bereits öffentlich verkündet worden sind.

Wiezumalen aber ihn Luz nach der Hand eine Reue wieder angekommen und er von seinem Versprechen gänzlich rehiliret ist, die Leedermayrin auch selben wider seinen Willen an sich zu zwingen nicht gedenket. Also haben sich beede Teile dahin gütlich verglichen, daß er Luz die sämtlichen und auf 47 Gulden 20 Kreuzer sich belaufenden Unkosten und zwar

behändigen und abführen solle und wolle.

Und da nun beede Teile hiermit ganz wohl zufrieden und content sind, auch ein an den andern nicht den geringsten Anspruch mehr zu machen gedenkt, also haben sie sich in Kraft dies aller Rechte begeben und ........ das obrigkeitliche Handglib abgestattet.

Act. den 14. Juni 1779 Zeugen Procurator Müller und Lyzelburg Oberschreiber

Tax (Summe) 2 Gulden 1 3/4 Kreuzer

Kommentar:

An diesem Beispiel sieht man, wie teuer eine ländliche Hochzeit war. Anscheinend haben die Gäste die geplatzte Hochzeit trotzdem gefeiert. Anders sind die hohen Wirtsspesen nicht zu erklären. Der Bräutigam ist mit dieser Dummheit sein halbes Heiratsgut losgeworden. Mit den Gerichtskosten des Vergleiches waren es fast 50 Gulden. Das Anwesen, in das er einheiraten wollte, war nur 70 Gulden wert.

Die Braut läßt nicht locker. 2 Monate später hat sie einen neuen Bräutigam. Kommentar am Schluß.

Übergabsbrief 70 fl. am 12. August 1779

Quelle: Staatsarchiv München, Bestand Pfleggericht Friedberg, Pr 42

(Es wird der volle Text in kursiver Schrift , jedoch zur besseren Lesbarkeit in heutiger Rechtschreibung zitiert. Kommentar in Klammern dazwischen geschoben.)

Tax 8 fl 10 1/2 xr. (Notar-Gebühren Summe 8 Gulden 10,5 Kreuzer, im Original detailliert berechnet)

Philipp Leedermayr Leerhäusler zu Baindlkirch und Therese, dessen Eheweib, letztere (hat) aber anderer Geschäfte willen statt ihrer Niklas Schmid, auch Leerhäusler zu Tegernbach Hegnenberger Hofmark gewalthabend abgeordnet und auch zu cavieren versprochen , ( Frauen überließen die Gerichtsgeschäfte stets männlichen Vertretern. Niklas Schmid aus dem Nachbarort könnte ein Verwandter der Frau sein. Oft wird eine Verwandtschaft angegeben, ein interessanter Hinweis für Familienforscher. Erscheint eine Frau selbst bei Gericht, so wurde ihr ein männlicher Beistand zugeordnet, der ihre Interessen vertreten sollte. ) ,

bekennen, daß sie verhoffend ihren besseren Nutzens, Ruhe, Wohlfahrt und Gelegenheit, hauptsächlich aber aufhabend hohen Alters, ... übergeben wollen .. wie Übergabsrecht, Sitt und dies Gerichts Gewohnheit ist, auch am beständigsten sein solle, kann und mag, (diesen komplizierten Satz konnte der Notar auswendig und schnurrte ihn ab, um die Leute einzuschüchtern. Dann aber kommen Fakten:)

nämlich den allschon vor 40 Jahren (leider kein genaues Datum. Hatten die Übergeber einen alten Brief, so wird hier das Datum zitiert. Das ist eine wertvolle Hilfe für die weitere Suche) mit gleichmäßiger Übernahme und Heirat an sich gebrachtes zum hiesigen kurfürstlichen Kastenamt grundbar gehörendes Leerhäusel zu gedachtem Baindlkirch, woraus alldahin jährlich zur Stift (vergleichbar mit der heutigen Grundsteuer) 17 Kreuzer 1 Heller gereicht werden muß, ferners einem Teil Gemeinde-Krautstück (die Krautgärten sind ein auf den Flurkarten sofort auffallendes Gebilde: meist eine zwischen Ackerland und Sumpf gelegene Fläche, die in ca. 100 m lange und 3 m breite Streifen unterteilt ist. Jedes Anwesen besitzt einen Streifen. Im Frühjahr wird der ganze Krautacker auf einmal gepflügt. Dann pflanzt jede Familie auf ihre ca. 6 Bifang das Kohlgemüse, Kraut, gelbe und rote Rüben. Durch den hohen Grundwasserstand am Moor kommt der Krautgarten ohne Bewässerung aus.) samt all dem dabei befindlichen rechtlichen Ein- und Zubehör, nichts davon besondert noch ausgenommen, ihrer freundlich lieben eheleiblichen Tochter Walburga, so unter Anweis und Beistandsleistung des kurfürstlichen Landgerichtsprokurators Johann Balthasar Keller ebenfalls bei Errichtung dies zugegen, (Walburga hätte besser einen eigenen Beistand mitgebracht, denn der Rechtsanwalt kostete zusätzliche Gebühren. Ohne Beistand oder Vertreter ging es bei Frauen nicht.) ,

dann all den Erben und Nachkommen zu einer Rechts paktierten Übergabesumme benanntlich 70 Gulden, also und dergestalt sein solle, über die ihr in handen bleibenden 30 fl den übergebenden Eltern zu einem Zehr- und Einstandspfennig 40 fl in jährlichen 5 fl continuierlichen Fristen auf heilig Martini anno dies erstmals anfangend, auszubehändigen und richtig hinaus zu bezahlen. ( Der Wert des Anwesens ist auf 70 Gulden geschätzt. Das Haus dürfte demnach in schlechtem Zustand gewesen sein oder sehr niedrig geschätzt. Davon erhält die Tochter einen rechnerischen Erbanteil von 30 Gulden und muß den Eltern als Alterssicherung und Begräbniskosten 40 Gulden zahlen. Momentan ist kein Geld vorhanden. Deshalb ist der "Zehrpfennig" in Jahresraten von 5 Gulden, erstmals noch im gleichen Jahr am Martinstag (11.November) zu bezahlen.)

auch die lebenslängliche Herberg in dem bereits vorhandenen hintern Stübl zum Unterschlupf und Aufbehaltung der wenigen Habschaft zu gestatten, auch den vierten Teil von dem geratenen Obst anzulassen (Das ist der ganze Austrag ! Die Alten müssen sich ihr Essen zumindest theoretisch selbst erarbeiten, obwohl ihnen die Mittel dazu genommen sind. Nur auf das Obst haben sie ein Anrecht. Von den 5 Gulden im Jahr konnten sie nicht leben und dieses Geld war auch nicht für den Lebensunterhalt gedacht. In der Praxis wurde wie bisher gemeinsam gewirtschaftet. Aber die jungen Leute waren Herr im Haus.)

und da sie Übergeber einstens mit Tod abgingen und etwas in Geld oder Geldwert hinterließen, so erben diese Verlassenschaft nach Abzug der Funeralskosten (Beerdigungskosten) die zurück verbleibenden Kinder mit Einschluß der Übernehmerin gleichheitlich mit einander.

Und weil dann von diesem Leerhäusl in Ansehung der Schlechte (des schlechten Zustandes des Anwesens) .. den übrigen Kindern benanntlich Katharina, Anna und Apollonia sämtliche vogtbaren Standes ( erwachsen) nichts zum Erb ausgemacht werden könne. Als wäre denselben nur allein, wenn sie in der Dienerschaft erkrankten, der bloße Unterschlupf bis zur Wiedergenesung zu gönnen. ( Das ist eine Ungerechtigkeit: Die Tochter Walburga erhält das Anwesen, aber ihre 3 Schwestern erhalten garnichts. Ohne Heiratsgut haben sie keine Heiratsaussichten und müssen ihr ganzes Leben als Dienstboten arbeiten. In der Praxis werden die Eltern jedoch versucht haben, bei einer Heiratsgelegenheit den Töchtern Geld zuzustecken. Diese konnten nur warten, was an Geld nach dem Tod der Eltern übrig war und versuchen, vom Arbeitslohn etwas zu sparen. Das Heimatrecht als letzte Sozialversicherung im Fall von Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit blieb ihnen, so lange sie ledig waren.)

Womit dann dieser Übergabsbrief beschlossen, Gewährschaftleistung versprochen und hierüber obrigkeitlich angelobt worden.

12. August 1779

Als nächstes Protokoll folgt ein Heiratsbrief zwischen Walburga Leedermayr und Ulrich, Sohn des Johann Probstmayr seelig, Häusler in Grimeltshausen Gericht Schrobenhausen, und Rosa, dessen Ehefrau, beide seelig (verstorben). Ulrich war von Beruf Zimmergesell und legte 10 Gulden in bar auf den Tisch (für die Gerichtsgebühren) und versprach weitere 20 Gulden am Hochzeitstag mitzubringen. Eine Heirat über diese Distanz ist selten.

In Baindlkirch galt Walburga Leedermayr offensichtlich nicht als gute Partie, sonst hätte ihr Bräutigam nicht von so weit her kommen müssen.

Schon der erste Bräutigam kam aus dem nicht gerade nahen Ottmaring. Entweder sah er das Häuschen, in das er einheiraten wollte, erstmals kurz vor dem Hochzeitstermin oder er wurde von anderen Baindlkirchern über Walburga und ihre Familienverhältnisse aufgeklärt.

Wahrscheinlich war an der Person von Walburga nichts auszusetzen, aber das Anwesen war in schlechtem Zustand. Der größte Mangel waren die drei ledigen Schwestern. Sie rechneten sicher mit einem Heiratsgut bzw. Erbanteil, nachdem der Erbteil von Walburga mit 30 Gulden beziffert war. Der zweite Bräutigam brachte gerade auch 30 Gulden auf.

Die Heirat ist nur als Trotz-Reaktion zu verstehen. Da bis 1805 kein weiteres Protokoll für dieses Haus zu finden ist, kann man annehmen, daß die Ehe dennoch über 25 Jahre Bestand hatte und den drei Schwestern nichts anderes übrig blieb, als ledig zu bleiben und als Bauernmägde Dienst zu tun.

Diese einfache Geschichte wurde zitiert, um zu zeigen, welche vielfältigen Informationen ein Familienforscher in den Archivalien finden kann.

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(C) Josef Kiening, zum Anfang www.genealogie-kiening.de