Genealogische Datensammlung Kiening:
Geboren 14.8.1902 in Nassenhausen. Aufgewachsen bei meiner Mutter, die mich als sie noch ledig war, zur Welt brachte, sowie bei meiner Stiefgroßmutter und meinem Großonkel Josef (ein Bruder meines Großvaters). Die Großeltern mütterlicherseits sind sehr früh gestorben. (Meine Großmutter starb bei Geburt meiner Mutter. Der Großvater heiratete dann die Stiefgroßmutter. Er war bei meiner Geburt bereits tot.) Mein leiblicher Vater war Hof- und Mühlenbesitzer, er heiratete meine Mutter nicht, sie war für ihn unterm Stand, denn sie hatte nur ein kleines Anwesen.
Als ich 8 Jahre alt war, heiratete meine Mutter und ich bekam noch 4 Halbgeschwister, drei Mädel und einen Buben. (Der Stiefvater heiratete also in das Anwesen meiner Mutter ein.) Bevor meine Mutter heiratete, mußte sie hart arbeiten, da ja außer meinem alten Vetter kein Mann im Hause war. Das Bargeld war natürlich auch knapp, Milchverkauf gabs damals noch nicht, nur Butter wurde verkauft. In der ruhigen Zeit für die Landwirtschaft suchte sie deshalb durch Gelegenheitsarbeiten immer ein paar Mark zu verdienen. Unter anderem auch als Handlangerin bei Maurerarbeiten. Frauen trugen damals den Mörtel in einem Behälter auf der Schulter über die Gerüste zu den Maurern hinauf.
(Anmerkung: Der Stiefvater wird im Text fast nie erwähnt, zu ihm hatte Andreas ein kühles Verhältnis. Er wohnte auch nur 5 Jahre mit dem Stiefvater zusammen, von seinem 8. bis 13. Lebensjahr, also von 1910 bis 1915, bis der Stiefvater in den Krieg mußte. Nach dem Krieg war Andreas immer außer Haus berufstätig.)
Nun ein paar Erlebnisse aus dieser Zeit:
Unser Dorf Nassenhausen gehörte zusammen mit Adelshofen und Luttenwang zur Pfarrei Grunertshofen. Adelshofen war eine Expositur und zugleich unser Schulort. In Grunertshofen besteht eine Anstalt, damals für Waisenkinder. Sie befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft von meinem leiblichen Vater. In dieser Anstalt wurde damals zur Weihnachtszeit immer ein "Krippenspiel" veranstaltet, zu dem wir Kinder immer kommen durften. In dem Ort war, oder ist noch, eine Bäckerei, in der wir uns nach dem Besuch des Spiels immer Brezen kauften. Das war damals an Sonntagen noch möglich. Ich bat daher meine Stiefgroßmutter, an der ich übrigens sehr hing, sie möchte mir ein Fünferl für eine Brezen mitgeben. Sie sagte aber, ich solle nur zu meinem Vater gehen. Ich war damals vielleicht 7 oder 8 Jahre alt. Warum dies mein Vater war, wußte ich natürlich noch nicht, nur eben, daß der Müller Peter mein Vater ist und seinen Hof gleich bei der Anstalt und der Kirche hatte. Ich ging tatsächlich nach dem Spiel in sein Haus. Am Tisch saßen seine Frau, er war inzwischen verheiratet und seine Mutter. Ich brachte meine Bitte um ein Fünferl für eine Brezen vor. Sie sahen darauf mich und sich gegenseitig an, sprachen aber kein Wort und ließen mich stehen. Ich merkte, daß ich nichts bekomme und ging wieder. Dieser Auftritt bewirkte aber, daß mein Vater dann vierhundert Mark Alimente bezahlte. Damit war für ihn mein "Fall" erledigt. 400 Mark waren die ganze Abfindung. Von dieser Sache erfuhr ich allerdings erst später.
(Ergänzung: Über die Anlage des Geldes waren die Erwachsenen uneinig. Der Stiefvater setzte durch, daß für das Geld ein Acker gekauft wurde, eine immerhin inflationsbeständige Anlage. Ein Wertvergleich für 400 Mark fehlt, es war gewiß mehr als ein normales Jahreseinkommen.)
1908 kam ich zur Schule in Adelshofen. Am 1. Tag mußten wir unsere Namen und den Beruf unseres Vaters sagen. Darauf wurde ich jedoch von daheim nicht vorbereitet. Ich sagte dann ganz einfach, mein Vater ist ein Rasierer. Dazu die Erklärung: Mein Großonkel war ledig und wohnte in unserem Haus, das seine Heimat war, weiter. Er war schwerbeschädigt (gehbehindert) und übte den Beruf eines Friseurs aus. Ich dachte nun, dies ist mein Vater (da er bis zur Heirat der Mutter praktisch die Vaterrolle ausübte). Als der Lehrer dies hörte, lachte er und hieß mich von da ab, solange er noch bei uns war 3 Jahre nur den Rasierer. Übrigens waren mein Großonkel, genannt Vetter, sowie meine Stiefgroßmutter Justina sehr liebe Menschen und ich denke heute noch gerne an sie.
Als ich im 3. Schuljahr war, mußte ich im Hals operiert werden. Dies geschah in München. Ich mußte fünfmal nach München gebracht werden zur Nachbehandlung. Auf diese Weise lernte ich schon etwas von München kennen.
In Adelshofen lebte früher einmal eine reiche Familie mit Namen Lampert. Sie hatte scheinbar keine Nachkommen und vermachte ihr Vermögen einer Stiftung. Aus dieser Stiftung wurden die Schulbücher bezahlt und die Kinder ärmerer Leute erhielten jährlich entweder ein paar Schuhe oder Hose oder Joppe. Herr Expositus hatte die Verwaltung. Einmal rief er in der Schule auf, anschließend die Stiftungszettel bei ihm abzuholen. Ich ging auch mit. Zur mir sagte er aber, ich bekäme keinen. Warum sagte er nicht. Ich erfuhr aber dann, daß ich ein außereheliches (richtiger wohl: uneheliches) Kind sei und darum von der Stiftung ausgenommen sei. Bei den Schulbüchern wurde eine Ausnahme gemacht, ich bekam sie also auch. Als ich Erstkommunion hatte, bekam ich einen Anzug, dies nur ausnahmsweise.
Zu dieser Einstellung von damals noch folgendes:
Zur Adventszeit werden in den Kirchen sogenannte Engelämter zelebriert. Bei uns wurden diese getrennt für ledige und verheiratete Personen und für Kinder abgehalten. Bei der Ankündigung hieß es dann ungefähr: Diese Woche für Verheiratete, nächste Woche für Jünglinge und ledige Mannspersonen, übernächste für Jungfrauen und ledige Frauenspersonen und dann für Kinder. Für diese Feiern wurde Geld gesammelt. Auch ich mußte sammeln, und war bei den Jünglingen. Dabei kam ich in ein Haus mit Mutter, Tochter und Sohn. Ich erhielt nichts, sie hätten keinen Jüngling. Das von den ledigen Mannspersonen hatte ich damals noch nicht verstanden und deshalb (in der Bitte) nicht erwähnt. (kinderlose ledige Männer wurden als Jünglinge, solche mit Kindern aber als ledige Mannspersonen bezeichnet, unabhängig vom Alter.)
Übrigens: Ministrieren durfte ich aber schon, obwohl ich unehelich war und auch Kindheit-Jesugeld einsammeln.
Vetter Josef arbeitete auch für die Mission über St. Ottilien. Da gab es die Kinderzeitschrift "Das Heidenkind". Diese durfte ich auch austragen.
Dann ein kleines Abenteuer: In der Adventszeit gab es früher die sogenannten Klöpflesnächte, wo die Kinder aus kleineren Anwesen zu den größeren Bauern um ein "Klöpflesgeld" gingen. Man bekam dann vielleicht ein Fünferl oder etwas gedörrtes Obst. Von einer solchen Tour kam ich mit einem anderen Buben aus dem Nachbardorf. Unterwegs holte uns ein junger Bursche ein. Dieser warf mich auf den Boden und hielt mir ein Messer an den Hals. Ich hielt dies für einen Spaß und lachte. Er ließ dann wieder von mir ab und lief davon. Meine Leute erschraken nicht schlecht, als ich es ihnen erzählte. Man weiß ja nicht, was so ein Kerl im Sinn hat.
1910 - 12 waren bei uns im Moor Entwässerungsarbeiten. Dabei waren viele Italiener beschäftigt. Sie waren bei den Einwohnern der Umgebung untergebracht und waren gerne aufgenommen.
In meiner Kindheit wurde ich schon ganz schön zur Arbeit herangezogen. Zu Hause war es ja selbstverständlich, aber in Nassenhausen wurde in diesen Jahren die Kirche neu gebaut. Mit Pferdefuhrwerken wurden die Ziegel herbeigefahren. Die meisten von diesen haben mein gehbehinderter Vetter und ich abgeladen. Ich war damals 12 Jahre alt. Die Kirche wurde übrigens von zwei Geistlichen finanziert, die in Nassenhausen daheim waren. Es waren 2 Brüder, Onkeln von meinem Stiefvater. Damals waren sie Domherren in München. Später war der eine, Alois Hartl, Weihbischof und sein Bruder Martin Domdekan.
Im August 1914 brach der erste Weltkrieg aus. Mein Stiefvater sollte laut Mobilmachungsplan sofort einrücken, war aber krank. Statt im Mai wurden wir wegen des Krieges bereits im März 1915 aus der Schule entlassen. Da mein Stiefvater zwar wieder gesünder, aber immer noch zu Hause war, wurde ich daheim nicht gebraucht. Ich kam daher als Dienstbube zu einem Bauern in der Nachbarschaft. Dazu ist nicht viel zu sagen: Aufstehen im Sommer um 4 Uhr, im Winter um 5 Uhr. Stall- und Feldarbeiten. Da aber mein Stiefvater Ende 1915 doch eingezogen wurde, mußte ich ab Weihnachten wieder daheim sein. Bei dem kleinen Anwesen war aber für mich nicht das ganze Jahr Arbeit. In den landwirtschaftlich ruhigen Zeiten arbeitete ich anderswo.
3/4 Stunden von Nassenhausen entfernt war das Torfmullwerk Haspelmoor. Als Kinder konnten wir dort ab 14 Jahren arbeiten. Ich wurde im August 1916 14 Jahre alt und versuchte, im April aufgenommen zu werden. Andere Buben, die noch jünger waren, ließen sich ihr Arbeitsbuch unter falschem Geburtsdatum ausstellen und wurden eingestellt. Ich aber nicht. Ich versuchte daher, mit noch einem anderen den Bürgermeister zu überreden, auch uns das Geburtsdatum zu ändern. Da kam der Betrug der anderen auf und es gab einen Wirbel. Die jüngeren wurden natürlich entlassen. Ein paar Monate später wurde ich eingestellt.
Es gab dort verschiedene Arbeiten: Torfstücke zum Trocknen aufschlichten, mit Rollwagen in Schuppen oder ins Werk fahren. Im Werk gab es auch verschiedene Arbeit, die ich einzeln aber nicht erwähnen kann. Im Torfwerk arbeiteten damals auch russische Kriegsgefangene. Dabei kamen wir in nähere Beziehungen und wir kamen gut miteinander aus. 1918 wurden sie in ihre Heimat entlassen. Ich arbeitete im Moos 1916 - 20, außer in der Zeit, wo ich zu Hause gebraucht wurde oder wenn ich im Wald arbeitete. 1920 arbeitete auch Mutti (meine spätere Frau Therese) im Moos und wir lernten uns dadurch kennen.
Zur Waldarbeit noch folgendes
Die Baumstämme waren schon gefällt und mußten von uns (Kindern) noch entrindet werden. Das ging nur in der Zeit, wo der Saft in den Bäumen stieg, im Mai und Juni. Die Rinde wurde getrocknet und kam dann zur Lederfabrikation. Das Entrinden war eine schwere Arbeit. Die Bäume lagen vom Fällen her noch kreuz und quer übereinander und mußten einzeln freigelegt werden. Das Langholz "schälte" man. Das Papierholz wurde "geschabt", das ging jederzeit. Es war auf 2 m zugeschnitten und nicht dick. Die abfallende Rinde gehörte uns selber und gab schönes Brennmaterial. Diese Arbeiten geschahen alle im Akkord. Da wurde natürlich von früh bis spät gearbeitet. Achtstundentag gab es noch nicht. Dieser wurde übrigens erst 1919 eingeführt, Bis dahin mußten wir auch im Moos 10 Stunden arbeiten. Das war von 6 Uhr früh bis abends 6 Uhr, abzüglich 2 Stunden Pause. Dazu noch der Weg zur und von der Arbeitsstätte. Und dies zu Fuß. Der Tageslohn betrug damals für uns Jungen bei 10 Stunden je Tag 1.25 Mark, für die Männer 2.25 Mark. Was Frauen verdienten, weiß ich nicht mehr. In der Stadt waren die Löhne natürlich höher, etwa 5 Mark pro Tag für Männer.
Für 1920 noch eine Begebenheit:
1918 wurden zwischen Frankreich und Deutschland Kriegsgefangene ausgetauscht. Mein leiblicher Vater war auch Gefangener in Frankreich, wurde aber nicht mehr ausgetauscht, da inzwischen der Krieg zu Ende ging. Er mußte bis Anfang 1920 in Frankreich bleiben. Deutschland hatte ja den Krieg verloren. Im Februar wurde er entlassen und kam bald darauf in Haspelmoor an und wurde dort mit Kutsche und Reitergeleit abgeholt. Ich als sein Sohn stand ganz hinten, war nur zufällig dort. Auch Mutti (Therese) war dort, doch wir kannten uns damals noch nicht. Seine Frau war zu der Zeit in der Hoffnung, ausgerechnet von einem Kameraden, der 1918 als Gefangener ausgetauscht wurde. Das Kind, das die Frau meines Vaters dann zur Welt brachte, war ein Bub. Er wurde von meinem Vater in die Familie aufgenommen und er sollte ihn, so hieß es, recht gern gehabt haben. Der Bub ist dann später tödlich verunglückt.
Hier nachträglich etwas zu den Schulen von damals:
Die Volksschule, von uns damals Werktagsschule genannt, begann für uns in dem Jahr, als man sechs Jahre alt wurde und dauerte sieben Jahre. Dann kam man in die Volksfortbildungsschule, von uns Feiertagsschule genannt. Diese mußte, außer in den Ferien, wir sagten damals Vakanz, jeden Sonntag besucht werden. Dauer 2 Stunden. Die Zeiteinteilung war nicht überall gleich. Bei uns in Adelshofen war es von Mittag 12 Uhr - Nachm. 2 Uhr. Die Zeiteinteilung von 13 - 24 Uhr gab es damals noch nicht. Anschließend in der Kirche eine Andacht, dann Religionsunterricht, damals Christenlehre genannt, bis 3 Uhr.
Der Sonntag verlief für uns folgendermaßen:
Um 5 Uhr aufstehen, Stallarbeit, Frühstück, nach Adelshofen gehen zur Kirche. Dann heim und in den Stall, Mittagessen und wieder nach Adelshofen zur Schule. Der Weg war ca. 1/2 Stunde. Daß wir jeden Sonntag zweimal nach Adelshofen mußten, war nur deshalb, weil bei uns in Nassenhausen in diesen Jahren die Kirche neu gebaut wurde. Normal ist das jeden 2. Sonntag der Fall. Zur Schule jedoch jeden Sonntag. Die Wege machten wir damals immer zu Fuß. Der freie Sonntag dauerte für uns also ungefähr 2 Stunden, denn dann mußten wir ja wieder zur Stallarbeit. Der Besuch der Feiertagsschule war 3 Jahre Pflicht. Weitere 2 Jahre mußte dann noch der Religionsunterricht besucht werden, (also bis zum 18. Lebensjahr).
Ab November 1920 begann für mich ein anderer Lebensabschnitt. Ich kam von zu Hause weg. Erst kam ich nach Fürstenfeldbruck in ein kleines landwirtschaftliches Anwesen. Neben anderen Arbeiten hatte ich auch ein Pferd zu betreuen. Dem Besitzer war ich anscheinend noch zu jung. Er stellte einen älteren Knecht ein. Ich kam dann als Knecht auf den Angerhof bei Bruck. Ein großer Hof mit ca. 300 Tagwerk, ca. 100 Hektar. Über die Tätigkeit dort ist nicht viel zu sagen. Es war halt Bauernarbeit. Aber ich war gerne dort und meine Arbeit wurde auch geschätzt.
Im Herbst 1921 kam ich wieder nach Fürstenfeldbruck und zwar zu einem Fuhrwerksbesitzer. Hier hatte ich 3 Pferde zu betreuen und verschiedenes zu fahren, Ziegel, Sand usw. Dies war eine schwere Arbeit. Das meiste mußte ich allein auf- und abladen. Doch bald gab sich eine Gelegenheit, diese Arbeit aufzugeben.
Ich kam nun in F.Bruck in ein Geschäft als Hausmeister. Das Geschäft führte Kolonialwaren, groß und einzeln, sowie Schnittwaren, also Textilien. Meine Tätigkeit war vielseitig: Die Lager betreuen, im Laden die Waren nachfüllen, Hof- und Garten in Ordnung halten, Kunden, die größere Mengen bekamen, bedienen. Auch Waren zu Kunden, die kleinere Geschäfte hatten, bringen. Kaffee rösten, vor allem Gerste, die sich Landleute und Bauern bei uns rösten ließen.
Bei dieser Tätigkeit kam ich zum ersten und einzigenmal mit meinem leiblichen Vater zusammen. Ich mußte ihm auf seinen Pferdewagen einen Sack Salz aufladen. Ob er mich kannte, weiß ich nicht. Ich kannte ihn, traute ihn aber nicht darauf anzusprechen. Er hätte meinen können, daß ich etwas von ihm erwarte.
Damals hatten die Geschäfte auch Sonntag noch ein paar Stunden auf. Erst jeden Sonntag von 10 Uhr bis 2 Uhr, später nur mehr jeden 2. Sonntag und da einmal 2 Stunden und einmal 4 Stunden. Dies kam nach einer Vereinbarung mit anderen Geschäften.
In diesen Jahren, ich glaube, es war 1922, bekam ich an Pfingsten 3 Tage frei für eine Radtour in die Berge. Es war das erstemal in meinem Leben, daß ich ins Gebirge kam. Ich fuhr über München zum Tegernsee, nach Schliersee und nach Elbach zu unseren Verwandten. Schwarzenberg und Breitenstein waren meine ersten Bergtouren. Einen Urlaub im eigentlichen Sinne gab es damals für einen Hausmeister nicht. Für die Verkäuferinnen bei uns jedoch schon.
Der Verdienst war, verglichen mit heute auch mager. Monatlich 15 Mark und Verpflegung und Unterkunft. Bald gab es Steigerungen, die jedoch inflationsbedingt waren. 1921 konnte ich mir das erste Fahrrad kaufen, gebraucht für 15 Mark. Bis dahin mußte ich die Wege z.B. nach Nassenhausen zu Fuß gehen. Damals begann auch die Inflation. Ende 1923 rechneten wir schon mit Billionen. Dann kam die Umstellung. Eine Billion Mark war dann gleich eine Rentenmark, später Reichsmark.
In Fürstenfeldbruck trat ich auch dem Gesellenverein bei, dem ich später auch in München St. Margareth angehörte. Heute heißt der Verein Kolpingfamilie.
Im März 1924 war für mich die Zeit in Fürstenfeldbruck zu Ende und am 1. April begann die Münchener Zeit.
Auf Empfehlung hin kam ich am 1.4.1924 in den Theatiner Verlag. Dieser verlegte Werke von Autoren mit christlicher, vor allem katholischer Richtung. Auch eine Abteilung für christliche Kunst hatte der Verlag. Ein paar Namen: Ruth Schaumann, Gertrud von Le Fort, Dr. Hildebrand, Sohn des Schöpfers des Wittelsbacher Brunnens, Prof. Georgi u.a.m. Meine Tätigkeit war natürlich nicht gehoben. Ich war Packer und anfangs auch Ausgeher. Bald kam ich dann direkt zum Versand, bekam die Portokasse und hatte den Postversand abzuwickeln. Inzwischen hatte ich Kurse besucht in Buchhaltung, Steno und Allgemeines. Ich hatte gute Aussicht, vorwärts zu kommen. Leider kam der Verlag in finanzielle Schwierigkeiten und wurde dann von Kösel und Pintet übernommen. Ich leider nicht und ich mußte mich um eine andere Stellung umsehen.
Während meiner Tätigkeit im Verlag hatte ich ein besonderes Erlebnis, das sich allerdings erst später als solches herausstellte. 1925 war das heilige Jahr. Aus diesem Anlaß brachte der Verlag ein Buch heraus. Ein Exemplar war für den Papst bestimmt. Ich mußte dieses Buch in die Nuntiatur bringen und durfte es nur dem Nuntius persönlich übergeben. Dieser Nuntius war der spätere Papst Pius XII.
Nun noch ein schönes Erlebnis, das aber mit dem Verlag nichts zu tun hatte, außer daß ich von ihm Urlaub hatte.
1925 machte ich mit Mutti eine größere Radtour in den Chiemgau: Berchtesgaden Königssee - Hintersee - Reichenhall - Freilassing Seebruck und über Wasserburg wieder nach München. Es war eine sehr schöne Fahrt und für damals nicht gerade alltäglich.
Durch den Gesellenverein St. Margareth lernte ich den dortigen Mesner kennen, da wir an bestimmten Sonntagen die Kirchensammlung durchführten. Der Mesner kannte den Betriebsleiter vom Werk Süd der Diamalt AG (Anmerkung: eine Lebensmittelfabrik). Zu dem schickte er mich, als er erfuhr, daß mir im Verlag gekündigt wurde. Ich wurde auch gleich eingestellt. Am 1.2.1926 fing ich dort an. Dazu noch eine Bemerkung: Ich war in meinem Leben keinen Tag arbeitslos.
Meine Tätigkeit in der Diamalt war in der Hauptsache Packerei und Postversand. Jeden Mittag mußte ich mit dem Rad zum Karolinenplatz fahren, wo sich damals die Hauptstelle der Diamalt AG befand. Dabei holte ich mir einmal den einzigen Strafzettel, den ich bis heute erhielt, weil ich mit dem Rad über den Gehsteig auf die Straße fuhr, RM 3.-.
Im November 1926 wurde ich in Nymphenburg am Kropf operiert. Dies nur nebenbei.
Am 22.1.1927
heirateten Mutti und ich. Von jetzt ab ist der Bericht nicht mehr
von meinem, sondern von unserem Leben. Die Trauung war in Muttis
Heimat Hattenhofen, wo wir 50 Jahre später auch unsere goldene
Hochzeit feiern durften. Die Hochzeitsfahrt ging an Ostern 1927
nach Waldershof zur Tante Simonetta. ( Schwester Simonetta war
Klosterfrau in Kloster Waldershof bei Marktredwitz.)
Mit den Wohnungen war es damals schlecht bestellt. Erst wohnten wir in einem möblierten Zimmer in der Lindwurmstraße. Da hatte ich früher schon einmal gewohnt. Miete 50 Mark, Arbeitslohn ca. 120 Mark monatlich. Da mußte Mutti immer mitverdienen.
Im November 1927 kam Hans zur Welt. Leider mußten wir ihn nach ein paar Monaten für kurze Zeit, ich glaube es waren 2 Monate, meinen Eltern anvertrauen. Er wurde dort krank und wir mußten ihn zurück holen. Er mußte dann wegen Mittelohreiterung operiert werden. Mutti mußte Tag und Nacht bei ihm in der Klinik sein. Er wurde, Gott sei Dank, bald wieder gesund. Wir behielten ihn selbstverständlich bei uns, obwohl dies von unserer Vermieterin nicht gerne gesehen wurde. Sie wollte keine Kinder in der Wohnung.
Wir bekamen aber bald eine eigene Wohnung in der Urbanstraße. Es war eine Neubauwohnung, Miete 92 Mark. Genossenschaftsanteil 1000 Mark, für uns allein selbstverständlich zuviel. Wir teilten daher die Wohnung mit einer anderen Familie. Das war 1928.
1930 kauften Tante und Onkel Neumaier am Harras ein Haus mit Garten. Sie bauten das Dachgeschoß aus und boten es uns an. Wir gingen natürlich darauf ein, war die Wohnung doch billiger und auch ganz schön. Der Nachteil war der, daß Mutti auch teilweise die Pflege von Neumaiers Wohnung übernehmen mußte.
Nach 5 Jahren wollte aber der Sohn die Wohnung. Er hatte inzwischen geheiratet. Nun begann für uns wieder die Wohnungssuche. Nach einem Jahr (1936) hatten wir Erfolg. Wir bekamen die Wohnung, in der wir heute noch sind.
Hier waren und sind wir gerne. Es ist eine Altbauwohnung, daher verhältnismäßig billig. Auch der Genossenschaftsanteil betrug damals nur 400 Mark, heute 800 Mark. Die Genossenschaftsleitung ist mit den Mitgliedern und Mietern sehr tolerant und wir sind hier sehr zufrieden.
Nun wieder einige Jahre zurück. Wir wohnten damals noch in der Urbanstraße. Da mein Verdienst nicht hoch war, versuchte ich das Einkommen zu verbessern. Ich legte die Fahrprüfung ab. Von Vetter Josef erhielt ich einen Zuschuß von 200 Mark. Durch die Verbindung mit Neumaiers, die Kraftdroschkenbesitzer waren, erhielt ich die Anregung, auch Kraftdroschkenfahrer zu werden. Heute heißt es Taxi. Ich machte deshalb den Droschkenfahrerkurs mit und bestand die Prüfung mit hervorragend. Kurz darauf, 1929, begann ich mit dieser Tätigkeit. Dazu ist zu sagen: Der Verdienst war in der ersten Zeit bedeutend besser, Aber dann kam eine wirtschaftliche Krisenzeit mit Notverordnungen und Lohnkürzungen. Das Droschkengeschäft litt natürlich auch darunter.
Aber vorher noch etwas zu dieser Tätigkeit: Wir mußten abwechselnd in Tag- und Nachtschicht fahren. Frei hatten wir nur jeden 2. Sonntag und da erst ab morgens, da wir zuvor Nachtschicht hatten. Das Droschkenfahren war sehr abwechslungsreich und man lernte die Menschen von ihren guten und auch weniger guten Seiten kennen.
Einmal mußte ich im Auftrag meines Chefs Leute in ihrem eigenen Wagen ins kleine Walsertal fahren. Dies war eine Privatfahrt und für mich gleich ein schöner Ausflug.
1931 kam dann die vorhin erwähnte Krise. Es durfte nur mehr jeden 2. Tag gefahren werden, einmal die geraden, dann die ungeraden Nummern. Mein Chef hatte 2 Nummern, eine gerade und eine ungerade. Es ließ sich so einteilen, daß ich 2 Tage durchfahren konnte mit nur ein paar Stunden Pause und am 3. Tag dann frei hatte. Dies war für mich finanziell günstiger.
1933 hörte für mich das Droschkenfahren wieder auf. Mein früherer Chef von der Diamalt bot mir nämlich an, wenn ich Lust dazu hätte, mich für den Postversand wieder einzustellen. Da ich darin schon Erfahrung hatte und bei den Droschken das Geschäft schlecht ging, sagte ich zu. Bei der Diamalt war ich dann ab 3.3.33 bis zu meinem Ruhestand außer der Zeit, die ich im Krieg und in der Gefangenschaft verbrachte. Allerdings hatten sich inzwischen, durch die Brüningschen Notverordnungen die Löhne gesenkt. Vorher war der Stundenlohn 93 Pfg und jetzt 72 Pfg. Die Zeiten waren damals gegen heute gesehen viel schlechter. Die Löhne niedriger, der Urlaub weniger, Samstag erst nachmittag frei. Urlaub gab es bei uns erst, wenn man am 1. April schon ein Jahr in der Firma dar und zwar in den ersten 3 Jahren 3 Tage, nach drei Jahren 6 Tage und nach sechs vollen Jahren 12 Tage. Auch kaum Weihnachtsgeld und keine Feiertagsbezahlung. Eine Besserung auf diesem Gebiet gab es dann im Laufe der nächsten Jahre. Trotzdem waren wir auch nicht unzufriedener wie viele heute. Man lebte bescheidener.
Übrigens mußten wir damals für Hans, als er in die Oberschule kam, noch Schulgeld bezahlen. Das war monatlich 20 RM. Hans bekam aber Ermäßigung wegen guter Noten und auch wegen meines niederen Einkommens. Als er Klassenerster wurde, brauchten wir gar kein Schulgeld mehr bezahlen.
Wie schon erwähnt: Wir lebten damals auch glücklich und zufrieden. Mutti mußte halt leider immer mitverdienen.
An Sonntagen ging es meistens mit dem Rad in den Wald zum Beerenpflücken oder in die nähere Umgebung. Ab und zu einmal in die Berge. An Pfingsten machten wir einmal eine Dreitagestour über Kochel, Herzogstand, Walchensee, Jachenau, Lenggries. Hans war damals noch nicht 6 Jahre alt, hat aber tapfer durchgehalten von Kochel bis Lenggries zu Fuß.
Mutti und ich machten 1938 eine Radtour von Hattenhofen aus nach Garmisch, Reutte, Füssen. 3 Tage ca. 300 km. Hans war, wie so oft, bei den Großeltern, wo wir meistens unseren Urlaub verbrachten und bei der Ernte halfen.
Urlaub in Fremdenorten oder gar im Ausland gab es damals nur für besonders gut verdienende Schichten. Im 3. Reich gab es damals die sogenannte "Kraft durch Freude". Da wurden verhältnismäßig billige Fahrten angeboten. Wir waren einmal mit Hans in Stuttgart, einmal auf dem Wendelstein und ich allein mit Kiening Sepp und Fanny und Michl Heiß in Passau.
Nun nochmal zurück zu den Jahren 1926 - 29. Ich machte damals beim Roten Kreuz einen Kurs für Sanitätsdienst mit. Ich bestand die Prüfung und wurde für den freiwilligen Dienst bei der Sanitätskolonne aufgenommen. Unsere Aufgabe war bei verschiedenen Veranstaltungen, sowie im Bahnhof, Kinos und Theatern Sanitätswache zu halten. Dabei kam man kostenlos ins Kino und Theater. Ich hatte auch mal Wache bei den Festspielen im Prinzregententheater. Aufgeführt wurde der Ring des Nibelungen von Richard Wagner.
Als ich aber 1929 Droschkenfahrer wurde, mußte ich diese Tätigkeit wegen Zeitmangel aufgeben.
Zu den Tätigkeiten, die Mutti ausübte, folgendes:
In ihrer Jugendzeit war sie, wie ich auch, in der Landwirtschaft tätig. Kurze Zeit arbeitete sie im Torfwerk Haspelmoor, wo wir uns kennenlernten. Später kam sie zu Herrschaften in den Haushalt. Dazwischen war sie einige Zeit Aufseherin in der Taubstummenanstalt in München. Dann Köchin bis zu unserer Heirat. In der Ehe half sie nach Möglichkeit immer mitverdienen. Im Krieg wurde sie dienstverpflichtet. Die Frauen, deren Männer eingezogen waren, erhielten eine Beihilfe. Diese wurde am Kriegsende gestrichen, auch wenn der Gatte noch nicht zurück war. Es gab höchstens Sozialhilfe. Mutti verzichtete jedoch darauf und arbeitete bis zum meiner Heimkehr als Blumenbinderin. Ich kam erst 1948 aus der Gefangenschaft zurück.
Nun zurück zum Kriegsanfang im Sept. 1939. Da Diamalt ein "wehrwirtschaftlicher Betrieb" war, wurden die Männer, auch wenn sie wehrpflichtig waren, nicht eingezogen. Dies traf auch für mich zu, obwohl ich bei der Musterung als KV, das heißt kriegsverwendungsfähig, eingestuft wurde. Der Krieg machte sich bei uns zunächst vor allem durch Rationierung der Lebensmittel, Bezugsscheine für Kleider und besonders durch die Verdunkelung bei Nacht bemerkbar. Bombenangriffe gab es am Anfang auch noch nicht.
1941 konnten wir 3 an Pfingsten noch einen schönen Dreitagesausflug mit dem Rad nach Elbach machen. Wir stiegen auf den Schwarzenberg und auf den Breitenstein. Bei unseren Verwandten wohnten wir. Den Urlaub verbrachten wir, wie immer, in Hattenhofen, wo wir bei der Ernte halfen. Einmal, es war im Juli 1942, kamen wir auch von dort zurück und fanden den Stellungsbefehl für mich vor, trotz meiner UK- (Unabkömmlich-) Stellung. Meine UK-Stellung wurde wahrscheinlich aufgehoben, da ich es ablehnte, Betriebsobmann zu werden.
Parteimitglied war ich auch nur von 1937 - 38. Ich trat dann freiwillig aus.
Jetzt begann für uns ein anderes Leben. Ich kam zu einer Sanitäts-Kompanie nach Schliersee. Die schöne Gegend war ein kleiner Trost für das weniger schöne Rekrutenleben. Wir machten öfters Gebirgsübungen. Bald ging es ab nach Frankreich und zwar nach Dinan in der Bretagne. Dort war erst noch weitere Ausbildung. Hier hörten wir von einem schweren Luftangriff auf München. Da kam auch schon von Mutti ein Telegramm, wonach unsere Wohnung keine Fenster und Türen mehr hatte. Eine Bombe ging ins Nachbargrundstück. Ich bekam Bombenurlaub und war dann einige Tage daheim. In dieser kurzen Zeit konnte ich die Schäden allerdings nur provisorisch beheben. Im Laufe des Krieges wurde die Wohnung noch öfters beschädigt, aber, Gott sei Dank, nicht zerstört.
Die Schule von Hans in der Damenstiftstraße wurde auch zerstört.
Als ich vom Urlaub wieder zu meiner Einheit zurück kam, erhielt ich mit noch ein paar Kameraden einen Marschbefehl zur 319. Inf. Division auf der Kanalinsel Guernsey. Die anderen Kameraden kamen nach Rußland.
Auf Guernsey kam ich zu einer Sanitätskompanie, machte dort auch die Prüfung im San. Dienst und war von da ab San.Soldat. Bald darauf San. Gefreiter. Ich war dann im Lazarettdienst eingesetzt.
Im Juni 1943 wurde ich nach Granville in der Normandie abkommandiert. Dort war eine Nachschubeinheit von unserer Division, für deren Betreuung eine Ortskrankenstube eingerichtet war. Von hier aus bekam ich bald Heimaturlaub. Während dieses Urlaubs war ich einen Tag in Egling bei Mering. Dort hatte meine Schwester Resi Hochzeit.
Im Juni 1944 begann die Invasion und damit für uns in Frankreich erst richtig der Krieg. Bis dahin war es bei uns verhältnismäßig ruhig.
Übrigens: Die Fahrten von und zu den Kanalinseln waren immer riskant wegen der Seeminen. Sie forderten manche Opfer.
Vor der Invasion lernte ich bei Dienstfahrten und Durchfahrten von und zum Urlaub Paris und noch ein paar Städte kennen. In der Nähe von San Malo ist der Mont Saint Michel. Ich war einmal oben. Die große Kirche auf dem Berg ist eine Ruine. Während des Rückzuges kam ich nochmal nach Paris und andere Städte: Amiens, Le Havre, Dieppe usw.
Im Juli 1944 wurde ich mit einigen Kameraden von "Amis" gefangen, konnte aber kurz darauf wieder entkommen. Da wir aber inzwischen von unserer Einheit, die ja auf Guernsey war, abgeschnitten waren, kamen wir zu einer anderen Division. Mit dieser kam ich im September 1944 in Le Havre in englische Gefangenschaft.
(Anmerkung: Aus der Erzählung meines Onkels weiß ich, wie seine Gefangennahme vor sich ging. Er war als Sanitäter in einem Lazarett tätig. Als die Alliierten das Gelände besetzen, stellten sie einen Posten vor das Lazarett. Damit galten alle Soldaten im Lazarett als Gefangene. Die Tätigkeit der Ärzte und Sanitäter wurde dadurch nicht unterbrochen.)
Im Juli 1944 erhielt ich von Mutti den letzten Brief, in dem sie mir mitteilte, daß Hans zum Arbeitsdienst eingezogen wird. Daß er dann anschließend zum Wehrdienst kommt, konnte ich mir denken. Hans war damals 16 1/2 Jahre alt.
Dies war die letzte Nachricht von daheim. Die nächste bekam ich erst im Januar 1946, wo Mutti mir schrieb, daß sie gesund seien, Hans daheim ist und die Wohnung in Ordnung sei. Daß die Sorge um daheim in dieser langen Zeit nicht klein war, läßt sich denken, hörte man doch dauernd von Bombenangriffen auf München.
In englischer Gefangenschaft verbrachten wir mehrere Wochen in Frankreich in der Nähe von Diepe, meist auf freiem Feld bei Regen und Sonnenschein. Über Diepe ging es dann ab nach England.
Einige Tage verbrachten wir in einem Durchgangslager bei London. Dann ging es ins 1. Lager, dessen Namen ich nicht mehr weiß. Bald darauf ins 2. Lager bei Bury. Arbeiten brauchten wir, außer im Lager selbst Ordnung halten, nicht. Nach Kriegsende wurden wir in Arbeitslager verteilt. Ich kam nach Ludlo. und bald darauf in das Nebenlager Leominster. Hier wurden wir täglich zu den Farmern gefahren. Hier war es auch, wo ich die erste Nachricht von zu Hause erhielt.
Dann wurde in Aeton Burnell ein neues kleines Nebenlager eingerichtet für ca. 20 - 30 Mann. Das war Anfang 1946. Ich wurde dorthin als Sani versetzt. Dort waren Fahrräder bereit gestellt und die Gefangenen mußten mit diesen täglich zu den Farmen fahren. Ich als Sani brauchte nicht mehr zu den Bauern. Aber bei der kleinen Belegschaft hatte ich als Sani natürlich nicht viel zu tun. Ich hielt deshalb den Speiseraum in Ordnung und pflegte den Gemüsegarten, denn ein solcher war auch beim Lager. Aeton Burnell ist ein kleines Dorf und die Bauern hatten meistens in der Umgebung Einzelhöfe. In dem Dorf war ein kleines Frauenkloster mit Kirche. Es wurde von einem kath. Geistlichen betreut. Außerdem war noch ein angelikanischer Geistlicher im Ort. Bei beiden machte ich mich mit Gartenarbeit nützlich. In Aeton Burnell war eine kleine Postfiliale, geleitet von 2 Frauen, Mutter und Tochter. Sie hatten bei ihrem Haus einen Garten. Auch da machte ich mich nützlich. Außerdem betätigte ich mich als Telegrammbote. Zu den umliegenden Farmen mußten oft Telegramme gebracht werden. Wir hatten im Lager immer ein paar Fahrräder in Reserve. Im Umkreis von mehreren Meilen, ich weiß nicht mehr wieviel, konnten wir uns zu dieser Zeit frei bewegen. Ich wurde bei dieser Tätigkeit allmählich überall bekannt. Außerdem brachte sie mir meistens ein paar Schillinge oder Zigaretten ein. Für sowas hatte man immer Bedarf.
Anfang 1948 erhielt ich von Mutti einen Brief, worin sie mir zum erstenmal schrieb, was für Schwierigkeiten sie mit der Wohnung hatte. Weil ich Parteimitglied gewesen sei, wurden ihr die Wohnung samt Möbel beschlagnahmt. Ich war jedoch 1938 nach einjähriger Mitgliedschaft freiwillig ausgeschieden. Dies konnte jedoch angeblich nicht mehr festgestellt werden. Schließlich bekam Mutti die Wohnung bis auf einen Raum wieder frei. Diesen bekamen wir dann nach meiner Rückkehr auch wieder frei. Die Beurteilung meiner Firma hat wahrscheinlich auch dazu beigetragen. Kurz darauf, im Februar 1948 erhielt ich die Mitteilung, daß ich entlassen werde.
Mein Heimweg führte dann über Sheffield, Harwich nach Hoek van Holland und von da über Rotterdam nach Munsterlager im Hannoverschen. Nach einigen Tagen ging es nach Hammelburg, wo unsere Entlassung stattfand. Am nächsten Tag, am 12.3.1948 kam ich daheim an und sah nach 4 Jahren meine Lieben wieder.
Nun begann für mich wieder ein normales Leben. Die Zeiten waren allerdings noch nicht normal. Es gab noch die Rationierung (der Lebensmittel), Schwarzhandel und Hamstern. Dazu die Geldentwertung. Nach Einführung der D-Mark im Juni 1948 begann sich die Lage allmählich zu bessern. Es gab pro Person zuerst 40 DM. Es dauerte aber noch Monate, bis die Verhältnisse einigermaßen normal wurden.
Die Stadt München sah noch sehr, sehr mitgenommen aus. Immer noch mußte Schutt abgefahren werden. Bei uns in Neuhofen entstand der Schuttberg, welcher jetzt eine schöne Anlage ist. Dasselbe auch in Oberwiesenfeld und Schwabing. Durch die Lindwurmstraße fuhr die Schuttabfuhrbahn, (eine Schmalspur-Eisenbahn, bis nach Neuhofen.) Auch unsere Wohnung bedurfte noch mancher Ausbesserung. Bis zu meiner Heimkehr arbeitete Mutti bei der Fa. Baur als Blumenbinderin. Dort hat auch Hans die Gärtnerlehre gemacht und arbeitete zur Zeit meiner Rückkehr bereits als Gehilfe. Die Tätigkeit als Blumenbinderin hat Mutti aufgegeben, als ich heimkam.
Wir verbrachten dann noch gemeinsam ein paar schöne Wochen, bis ich meine Arbeit bei der Diamalt wieder aufnahm. Mutti hat dann noch bei Tante Neumaier und bei der Fam. Weber ausgeholfen, bis bei ihr Herzgeschichten einsetzten und sie bald darauf die vorgezogene Rente erhielt. Sie widmete sich dann ganz dem eigenen Haushalt.
Bei der Diamalt wurde ich in das Angestelltenverhältnis übernommen und bekam eine andere Aufgabe als früher. Mir wurde die Verwaltung des Emballagenlagers (Emballagen sind Verpackungen) des Werkes Süd übertragen. Ich mußte Kartei führen über die Bestände, diese jeden Monat melden und Nachbestellungen veranlassen. Das Lager war ziemlich umfangreich, Kartons, Flaschen, Dosen und eine Menge verschiedener Etiketten. Der tägliche Zu- und Abgang mußte in die Kartei aufgenommen werden. Diese Tätigkeit verrichtete ich gerne.
Leider kam es 1955 anders. Die Diamalt trat die Fabrikation der Rotti-Artikel, denn um dieses Produkt handelte es sich, an die Firma Maggi ab. Das Werk Süd wurde aufgelöst und die meisten Belegschaftsmitglieder kamen in das Hauptwerk nach Allach. Ich und einige Leute kamen in das Hauptbüro, das sich jetzt in der Friedrichstraße befindet. Ich arbeitete einige Jahre in der Registratur, dann in einer Verkaufsabteilung, dann nach längerer Krankheit im Empfangsraum. Neben Büroarbeiten hatte ich hier die Besucher einzuweisen. Die Tätigkeit übte ich aus, bis ich 1967 in den Ruhestand trat. Ich habe dann noch 3 Jahre Urlaubs- und Krankenaushilfe gemacht.
Von 1967 an begann für uns eine schöne Zeit. Wir waren zwar auch vorher glücklich und zufrieden, aber nun konnten wir uns ganz uns selber widmen.
Hier muß ich noch etwas einfügen, was den Urlaub betrifft und sich auf die Zeit bezieht, in der ich noch tätig war. Konnten wir uns früher keinen Urlaub in einem Erholungsgebiet leisten, so gingen wir ab 1958 doch fast jedes Jahr in Erholung. 1958 nach Benediktbeuern, wo auch Hans noch bei uns war. 1959, 1960 und 1961 waren wir in Oberperfuß in Tirol, davon die beiden letzten Jahre in Oberperfuß-Berg. 1962 und 1963 verbrachten wir den Urlaub in Bramberg im Salzburgischen. 1964 und 1965 waren wir wieder in Oberperfuß-Berg. Von diesen Urlaubsorten aus machten wir auch verschiedene Ausflüge und Fahrten, z.B. Südtirol, Zell am See, Ötztal, Krimmler Wasserfälle, Kaprun und noch mehr.
Nun zu den Fahrten: Fahrten vor dem Krieg waren selten. Ein paar habe ich in diesem Bericht schon erwähnt. Nach dem Krieg machten wir oft Tagesfahrten. Diese machten wir teils durch Reisebüros, teils mit Pfarrausflügen, teils auch allein.
Die Schilderung der einzelnen Fahrten würde zu weit führen. Zwischen Nürnberg und Innsbruck, zwischen Ottobeuren und Salzburg gibt es nicht viele Städte, die wir nicht gesehen haben.
Dazu kommen noch eine 5-Tagefahrt und zwei 3-Tagesfahrten mit Mutti und ich allein, mit Hans seinem 600er Fiat.
Die fünftägige Fahrt war 1960 und ging über Passau in den Bayer. Wald, Waldershof in der Oberpfalz, dort Besuch bei Tante Simonetta, Bayreuth, Besuch bei Tante Leni, weiter über Kulmbach, Vierzehnheiligen, Bamberg, in die Fränk. Schweiz, Gößweinstein, Pottenstein mit Teufelshöhle usw.
Die erste Dreitagesfahrt war 1962 um den Bodensee mit der Insel Mainau. Auf der Schweizer Seite zurück nach Bregenz. Über den Hochtannpaß ging es ins Lechtal und über Reutte und Garmisch zurück nach Thanning, wo Hans damals mit seiner Familie wohnte.
Die zweite Dreitagesfahrt ging über Dinkelsbühl, Rothenburg, Creglingen mit dem berühmten Riemenschneideraltar, über die romantische Straße nach Wertheim am Main in den Spessart. Dort ist ein Gasthaus, das sich das "Wirtshaus im Spessart" nennt. Darüber gab es einmal einen Film. Nun ging die Fahrt über Würzburg, Uffenheim, Ansbach und Eichstätt wieder München zu.
Nun kommen wir zu fünf größeren Fahrten, die wir alle erst machten, als ich schon im Ruhestand war. Diese wurden von Herrn Schopp, einem Bundesbahnbeamten, in seiner Freizeit organisiert und waren sehr schön und preiswert.
1968 ging es nach Wangen/Allgäu. Von dort machten wir verschiedene Fahrten. Am ersten Tag ging es nach Lindau und Bregenz. Dabei hatten wir ein kleines Mißgeschick. Während die anderen eine Schiffsrundfahrt machten, fuhren wir auf den Pfänder. Als wir zurück kamen, war der Bus nicht an der vereinbarten Stelle. Wir konnten ihn auch sonst nirgens finden und mußten mit einem Taxi nach Wangen zurück fahren. Dort klärte sich die Sache auf und alle waren froh, als wir wieder da waren.
Eine Fahrt ging in die Schweiz nach St. Gallen und Maria Einsiedeln. Eine weitere ins kleine Walsertal, eine um Vorarlberg ins Lechtal, Oberstdorf und Oberstaufen. In Wangen besichtigten wir eine Käserei. Über Ottobeuren und Buxheim ging es wieder nach München.
1969 war Wien und Maria Taferl das Ziel. Die Hinfahrt ging über Altötting, Braunau, Linz, St. Florian (Anton Bruckner) nach Wien. Dort waren wir 4 Tage. Es gab natürlich viel zu besichtigen: Stephansdom, Karlskirche, Kaisergruft, Schönbrunn (2 x), Klosterneuburg, Spanische Reitschule, Kahlenberg und natürlich auch Grinzing usw. Dann ging es nach Maria Taferl. (3 Tage). Wir besuchten Kloster Melk, fuhren nach Dürnstein an der Donau und nach Maria Zell in der Steiermark. Auf der Rückreise kamen wir über Traunkirchen nach Freilassing. Nach einem kleinen Abstecher auf den Schroffen bei Bad Reichenhall fuhren wir heim.
Die dritte dieser Fahrten ging über Lindau und Birnau (schöne Kirche) nach Stockach am Bodensee. Von dort wieder mehrere schöne Fahrten. Die Inseln Mainau und Reichenau wurden besucht. Mit dem Schiff befuhren wir den Rhein bis Schaffhausen zum Rheinfall. Weitere Tagesfahrten führten durch den südlichen Schwarzwald über St. Blasien, Schluchsee zum Feldberg, oder über St. Peter und St. Märgen nach Freiburg. Dort bestieg ich den Turm des Münsters (380 Stufen). Die Rückfahrt von dort durch das Höllental (Hirschsprung) zum Titisee. Eine weitere Fahrt ging nach Sigmaringen-Hohenzollern und Kloster Beuron. Nach München zurück kamen wir über Weingarten und Ottobeuren und besichtigten beide Klöster.
1971 war Sexten in Südtirol an der Reihe. Die Fahrt dorthin ging über den Großglockner, Franz Josefshöhe, Heiligenblut und Lienz. Von Sexten aus wieder Ausflüge in verschiedene Ort und Täler. Auch einige Pässe überfuhren wir und kamen nach Cortina d' Ampezzo und zu den 3 Zinnen. Einmal ging es nach Kärnten an den Millstätter See. Die Rückfahrt ging über Brenner und Innsbruck.
1972 war das Elsaß das Ziel. Da aber damals unsere Wohnung modernisiert wurde, konnten wir leider nicht mitfahren.
1973 Florenz : Schon die Hinfahrt dieser anstrengenden Reise durch die Alpen und die Poebene über Mantua und Bologna, sowie durch den Apennin mit mehreren Tunnels war sehr schön. In Florenz gibt es so viele Sehenswürdigkeiten, daß man sie nicht einzeln aufführen kann. Fahrten von Florenz aus gingen nach Ravenna an der Adria, sowie nach Pisa und Livorno an der Westküste und nach Siena.
Damit ist das Kapitel unserer gemeinsamen Fahrten abgeschlossen.
Ich habe, seit ich im Ruhestand hin, noch viele Radtouren in die nähere und weitere Umgebung Münchens gemacht. Leider konnte Mutti da nicht mehr mitmachen. Auch zum Schwimmen ging ich fast jede Woche einmal. Beides mußte ich im Juli 1978 mit einem Schlag aufhören, denn ich erlitt einen Herzinfarkt.
Damit bin ich bei einem Kapitel angekommen, das die weniger schönen Seiten des Lebens zeigt. Ich führe die schweren Krankheiten, von denen wir auch nicht verschont blieben, kurz auf:
1908 Ich wurde an Polypen im Hals operiert. 1926 Ein Auto überfuhr mich, ich war 3 Wochen krank. 1926 wurde ich auch am Kropf operiert. 1941 war Muttis Bruch- und Blinddarmoperation. 1964 Muttis zweite Bruchoperation. 1965 litt ich an Poli-Arthritis. 1969 hatte ich eine Hämorrhoiden-Operation. 1978 erlitt ich einen Herzinfarkt. Als Dauerkrankheit plagt mich Arthrose.
Hoffen wir, daß wir in Zukunft von weiteren schweren Krankheiten verschont bleiben. Damit schließe ich meinen Lebensbericht und hoffe, daß wir unser Leben noch lange gemeinsam verbringen dürfen.
München, Mai 1979
Andreas
Nach dem Herzinfarkt von 1978 war Andreas gehbehindert. Im letzten halben Jahr seines Lebens konnte er die Wohnung nicht mehr verlassen: 1982 hatte er einen Schlaganfall und war 3 Wochen im Krankenhaus. Zu seinem 80. Geburtstag war er wieder zuhause, als sich seine Familie um ihn versammelte. Zwei Monate später, am 23.10.1982, schied Andreas still und friedlich während des nächtlichen Schlafes aus dem Leben. Im Münchener Waldfriedhof wurde er begraben. Mit seiner Lebensgeschichte setzte er sich ein bescheidenes Denkmal.
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(C) Josef Kiening, zum Anfang www.genealogie-kiening.de