Josef Kiening: Genealogie und Häuser nordwestlich von München
In Südbayern gibt es viele viereckige Erdwerke, deren
Entstehung unklar ist. Das Wort Keltenschanze wurde in der
Überschrift
bewusst vermieden.
Ich habe in meinem Wohnort ein eingeebnetes Erdwerk entdeckt.
Dieses Erdwerk ist in "Denkmäler in Bayern" nicht
genannt. Ich habe es deshalb am 9.7.2007 an das Bayerische
Landesamt für Denkmalpflege gemeldet
Auf Anraten von Fachleuten schreibe ich nicht die genaue Lage,
um nicht Schatzsucher und Raubgräber anzulocken. Ich bin
zwar überzeugt, wie im nachfolgenden Text erläutert, dass
hier
keine Schätze zu finden sind. Allein die Suche würde jedoch
für
die Archäologen alle Spuren zerstören.
Unter der 510-Meter Höhenlinie tritt im Münchener Westen das Grundwasser an der Erdoberfläche aus. Die Schotterebene ist nach Norden geneigt, wodurch das Wasser oberflächlich abfließt. In Lochhausen liegt über dem Schotter ein Lehmhügel, die Aubinger Lohe. Das neu entdeckte Erdwerk ist genau der Kante des Lehmes noch auf trockenem Boden. Unmittelbar neben dem Wall war ursprünglich Morast, der durch den gleich unter der Grasschicht liegenden Schotter gut begehbar ist und als Viehweide benützt wurde. Heute sind die Entwässungsgräben tiefer und der Grundwasserspiegel ist auf 50 cm Tiefe abgesenkt. Auf der anderen Seite ist bester Ackerboden.
Der Boden des Erdwerkes liegt etwa 20 cm höher als der umgebende Acker. Das kann auf natürliche Weise entstanden sein. Der Acker wurde früher hangabwärts in Ost-West-Richtung gepflügt. Aus den Ackerfurchen wurde Erde in den Graben um das Erdwerk geschwemmt, während das Innere des Erdwerkes vom umgebenden Wall vor Erosion geschützt war. Durch den Pflug wurde das Material des Walles über die Innenfläche des Erdwerkes verteilt. Man kann die erhöhte Fläche des Erdwerkes noch deutlich im Gelände erkennen.
Die Schanze lag also direkt an der Grenze des Ackerbodens auf
einer ebenen Fläche. An einer Längsseite befand sich
ursprünglich
sumpfiges Gelände. Der Grundwasserspiegel war so hoch, dass sich
der Graben von selbst mit Wasser gefüllt hat.
Durch Erosion und Ackerbau wurde der Graben aufgefüllt. Im Graben liegt humose Erde besonders tief. Hier ist die Saat über dem Graben besser gewachsen und der Graben zeichnet sich durch intensive Grünfärbung ab. Auf dem Boden des Walles ist es umgekehrt. Hier liegt schon lange unfruchtbarer Lehm aus der Tiefe. Die fruchtbare Walloberfläche wurde stets beseitigt, um den Acker einzuebnen. Das Rechteck des Walles und die Fläche dazwischen ist an der schlecht wachsenden Saat und Gelbfärbung zu erkennen.
Der Graben wird ursprünglich höchstens 5 Meter breit gewesen sein. Der Wall hatte des umgekehrte Profil des Grabens und war genauso breit.
Am Südrand der Aubinger Lohe liegt eine weitere, gut bekannte Viereckschanze neben der Eichenauer Straße. Dieses Erdwerk ist in der Größe vergleichbar, liegt ebenfalls knapp über sumpfigem Gelände, aber etwas höher, so dass sich der Graben nicht mit Wasser füllte. Der hohe Platz wurde gewählt, da es sich um die einzige ebene Stelle handelt. Die Innenfläche des Erdwerkes liegt ebenfalls höher als die Umgebung, was wie oben beschrieben durch natürliche Erosion der Umgebung entstanden sein kann.
Erdwerk in |
Lochhausen |
Aubing |
Himmelsrichtung Nordkante |
25 Grad nach Südosten |
15 Grad nach Nordosten |
Wall außen Nord |
61 Meter |
60 Meter |
Ostseite |
78 Meter |
55 Meter |
Südseite |
wie Nordseite |
72 Meter |
Westseite |
wie Ostseite |
50 Meter |
Innenfläche |
ca. 3500 qm |
ca. 2900 qm |
Form |
rechteckig |
Trapezförmig |
Beide Erdwerke passen sich dem Gelände an. Die Form,
Ausrichtung und Lage ergab sich jeweils zwingend aus der
Gelände-Situation.
Der Zugang lag jeweils zum Weideland hin. Über den Acker auf der
anderen Seite durfte das Weidevieh nicht laufen.
Es handelt sich in Lochhausen um besten Ackerboden, der ständig mit dem Pflug bearbeitet wurde. Nach den Flurkarten von 1810 war der Acker in 7 lange Streifen in West-Ost-Richtung geteilt. Jeder der Lochhauser Landwirte, dazu zählte auch der Pfarrer, besaß nach den Regeln der Dreifelder-Wirtschaft einen schmalen Streifen. Beim Bau der Eisenbahn 1840 wurden die Felder schräg durch schnitten. Danach wurden alle Äcker neu vermessen und verteilt. Die Dreifelderwirtschaft gab es 1840 nicht mehr. Die Bauern brauchten zusammenhängende Flächen. Das Feld mit dem Erdwerk ist seitdem nur noch ein Flurstück..Der Eigentümer betreibt jetzt keine Landwirtschaft mehr und der Acker ist an einen Bauern aus einem Nachbarort verpachtet. So blieb die Fläche mit dem prähistorische Erdwerk vor Bebauung verschont.
Im aktuellen Flächennutzungsplan der Stadt München gilt das Flurstück als allgemeine Grünfläche. So lange sich daran nichts ändert, ist dieses Bodendenkmal nur durch Ackerbau und Erosion gefährdet. Entsprechend der Form des Flurstückes wird heute in Nord-Süd-Richtung gepflügt.
Bis hier wurden nur Fakten berichtet. Über die Frage, um was es sich bei den rechteckigen Erdwerken eigentlich handelt, kommen selbst seriöse Autoren ins Phantasieren. Deshalb seien mir bitte die folgenden Überlegungen erlaubt.
Älter als die Jungsteinzeit kann das Bauwerk nicht sein, sonst hätten es die Eiszeitgletscher gründlich weggeschliffen.
Wenn wir das Erdwerk mit einer Palisade auf dem Wall als Schanze bezeichnen, dann diente es zur Verteidigung. Gegen keltische und römische Waffen wäre es zu einfach und ungeeignet. Für eine steinzeitliche Waffentechnik erscheint es mir jedoch angemessen, wird doch von den ersten Siedlern in Nordamerika berichtet, dass die dort steinzeitlich lebenden Indianer solche Bauten errichteten.
Auch bei uns bedrohten Wölfe und Bären das Vieh der Bauern. Erst im Dreißigjährigen Krieg bekamen die Bauern Feuerwaffen und haben damit Wölfe und Bären ausgerottet. Seitdem hat das Vieh auf der Weide keine natürlichen Feinde mehr. Vorher brauchte die Gemeindeherde nachts massiven Schutz. Stallviehhaltung gibt es hier erst ab 1800.
Auf der Spitze des Walles stand eine Palisadenwand aus senkrecht aufgestellten Stämmen, die durch waagrecht angebundene Balken gehalten wurden. Für die waagrechten Balken wurden gerade Bäume, wie Fichten verwendet. Das war nur möglich, wenn die Palisade gerade war. Will man mit geraden Linien einen Raum umschließen, kommt man zwangsläufig zu einer viereckigen Form. Das Bauwerk benötigt ebenes Gelände, sonst wäre die Konstruktion komplizierter.
Schon die Bauern in der Steinzeit errichteten eine massive
Palisadenwand. Baumstämme senkrecht in den Boden einzusenken
oder einzurammen, ist schwierig. Einfacher ist es, die Palisade
mit etwas an geschütteter Erde fest zu halten. Die Erde wurde
von außerhalb genommen, wodurch ein Graben entstand. Die
Holzwand hält nur etwa 20 Jahre, dann muss sie erneuert werden.
Die neue Wand wurde auf den bestehenden Wall gesetzt und wieder
mit Erde angehäuft. Der Regen hatte inzwischen feinen Lehm in
den Graben gespült, der leicht auszuheben und anzufüllen war.
So wurde der Wall bei jedem "Neubau" höher und der
Graben vertieft.
Wenn die im Boden steckenden Holzteile verfault waren, konnte die
Palisade eventuell noch einmal stabilisiert werden, indem die Erde
höher angeschüttet wurde.
Das Erdwerk wurde nicht sofort in der letzten Form errichtet. Das wäre zu viel Arbeit gewesen. Wall und Graben entstanden allmählich im Laufe der Jahrhunderte oder Jahrtausende.
Die Orte mit der Endung -hausen , wie hier Lochhausen, haben alle besten Löß-Lehm-Ackerboden. Diese Feststellung gilt für die Umgebung Münchens, wahrscheinlich für das gesamte Alpenvorland. Als nach der Eiszeit das Land bewohnbar wurde, war der Getreideanbau schon erfunden. Er war nur auf besten mineralischen Böden möglich. Wir können annehmen, dass die Hauserbauern ihre Äcker seit der Eiszeit ohne Unterbrechung bebaut haben. Die Hausen-Orte sind also die ältesten Ackerbauorte hier und nicht, wie wir in der Schule gelernt haben, die jüngsten,
Alle Kulturen und Besatzungen, seien sie keltisch oder römisch, benötigten für ihr tägliches Brot das Getreide der Bauern Da der verkaufbare Überschuss gering war, mussten stets alle geeigneten Flächen genutzt werden.
Archäologische Spuren für eine dauernde Siedlung seit der Steinzeit fehlen. Das wird daran liegen, dass die Häuser stets an der gleichen Stelle standen, an der sie heute sind. Auf dem Acker haben Pflug und Erosion alle alten Spuren beseitigt.
Die allemanisch-bayerischen Orte, die angeblich als erste
gegründet
wurden, sind nach der Bodenqualität die allerletzten gewesen.
Sie haben nur Schotter und Talauen als Flur. Das war der Rest,
als alles bessere Land schon genutzt war. Die nomadischen
Neusiedler mit ihren Viehherden waren damit zufrieden. Auf der
Seite Hauserbauern ist das
ausführlicher
erläutert.
Vorstehendes hat mit den Erdwerken insofern zu tun, als sich die Rechteckschanzen auffallend häufig zu den Hausen-Orten gesellen, wie Holzhausen, Endlhausen. Allerdings sind im "Hauserbauernland" zwischen Dachau und Freising keine Erdwerke bekannt. Sie wurden wohl schon lange eingeebnet und überpflügt.
Die Viehherde der Ackerbauern in Lochhausen weidete tagsüber auf den nassen Wiesen oder auf dem Brachfeld. Nachts wurde sie in der Rechteckschanze vor Wölfen und Bären in Sicherheit gebracht. Die Palisade musste also so groß sein, dass sie von den Raubtieren nicht überwunden wurde. Sie war auch geeignet zur Verteidigung gegen Räuber mit Steinzeitwaffen.
Ein Brunnenschacht lieferte auch bei Frost Trinkwasser für
die Tiere. Ein einzelnes Gebäude bot dem Wächter
Unterschlupf.
Vielleicht war es ein "Getreidekasten" für die
Saatkornvorräte, die hier weit ab von den Feuerstellen in
Sicherheit waren. Viel mehr wurde selbst bei neuen Ausgrabungen
in den Rechteckschanzen nicht gefunden.
Ende 2008 hörte ich von einem Fachmann, dass nach aktueller
Meinung in den Erdwerken doch Wohngebäude standen. Nachdem
keine Pfostenlöcher gefunden wurden, werden es Blockhäuser
gewesen sein, die nicht in der Erde verankert waren.
In
Lochhausen standen die Häuser um die Kirche, 750 Meter entfernt.
Wenn das Erdwerk nach meiner Vorstellung seit 6000 Jahren
vorhanden ist, konnte es natürlich vielfältig genutzt werden.
Es brauchte nur die Palisade erneuert werden, dann war das
Bauwerk wieder gebrauchsfähig. Als das Dorf auf den Hügel zur
Kirche gewandert war, konnte die Schanze immer noch für das Vieh
benützt werden.
Durch Lochhausen führt eine uralter Weg durch das Moor zum Gröbenzoll,. Hier wurden Schlachtviehherden getrieben, die auf den Reisestraßen nichts zu suchen hatten. Als Koppel für so eine Herde war die Schanze geeignet, wenn während des Sommers die Dorfherde auf der Weide blieb. Im Winter, wenn die Dorfherde selbst die Schanze als Unterstand benützte, war keine Viehherde unterwegs. Am Tor der Schanze konnte das Vieh gezählt und kontrolliert werden. Das Tor vermute ich auf der Seite zur Weidefläche, da das Vieh nicht durch den Acker laufen durfte. Der Viehtrieb aus Ungarn endete im Dreißigjährigen Krieg.
Das Erdwerk an der Pirolstraße könnte bis zu dieser Zeit in Betrieb gewesen sein. Die Spuren wäre nicht so gut sichtbar, wenn schon länger als 360 Jahre darüber gepflügt würde.
Historiker und Archäologen befassen sich nur mit den "Kulturträgern" und übersehen, dass 3 Bauern arbeiten mussten, um einen Nichtlandwirt zu ernähren. Dieses Verhältnis blieb bei uns 6000 Jahre unverändert.
Die Erdwerke sind bescheidene Reste des bäuerlichen Lebens und sie sind meiner Meinung nach nicht einer bestimmten Kulturepoche zuzuordnen.
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(C) Josef Kiening, November 2007, zum Anfang www.genealogie-kiening.de