Josef Kiening: Genealogie und Haus-Chroniken im Gebiet nordwestlich von München

Die Hauserbauern

Ortsnamen und Bodengüte im Gebiet vom Dachauer Hügelland bis zur Donau

Beim Vergleich von Bodengüte und Ortsnamen ist mir ein Zusammenhang aufgefallen. Die Orte mit der Endung -hausen  im Ortsnamen haben die besten Ackerböden. Orte mit der Endung -ing haben überhaupt keinen Ackerboden, sondern nur Grasland, das ohne Kunstdünger nicht als Ackerboden brauchbar ist. Ortsnamen, die auf -hofen enden, haben die zweitbesten Ackerböden.  Die anderen Ortsnamen haben (nordwestlich von München) häufig eine Namensendung, die mit Wasser zu tun hat, wie -ach, -bach, -moos, -brunn usw, wurden also von Viehzüchtern gegründet, die an Wasserstellen lagerten. Deren Qualität der Ackerböden liegt so in der Mitte. 

Damit war mir klar, daß die -ing-Orte nicht die zuerst gegründeten sein konnten, wie wir in der Schule gelernt haben. So dumm konnten die Erstsiedler nicht sein, dass sie ausgerechnet die schlechtesten Böden ausgesucht haben, wenn gleich daneben viel bessere verfügbar waren. Die Reihenfolge der Besiedlung muss also umgekehrt werden.

Bonität

Diese Behauptung ist leicht zu beweisen. Bei der Landvermessung ab 1812 wurde für jede Parzelle die Bodengüte festgestellt. Diese steht als "Bonität" im Kataster. Sie ist eine Zahl von 1 bis 10. Unsere besten Ackenböden zwischen München und der Donau erreichen Bonität 8. Diese Zahl wird nur in den Hausen-Orten erreicht. Selbst Orte in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Hausen-Orten erreichen nur Bonität 5 bis 6. In den Orten mit der Endung ing ist die Bonität noch viel schlechter.

Zur Steuerberechnung wurde die Fläche einfach mit der Bonität multipliziert. Das ergibt die "Verhältniszahl", vergleichbar mit dem heutigen Einheitswert. Verhältniszahl mit einem "Hebesatz" multipliziert ergibt den Steuerbetrag.

1812 waren die Böden noch im Naturzustand. Es gab weder Maschinen noch Kunstdünger zur Verbesserung der Böden.

Die Bonität wurde von Schätzleuten aus dem Bauernstand festgestellt, wobei es scheinbar keine Probleme gab. Das bestätigt, daß die Bauern ihre Böden sehr sicher beurteilen können. Die Bonitätszahl ist einfach zu erklären: Wenn ein Saatkorn 8 Körner Ernte bringt, ist die Bonität 8. Bringt ein Saatkorn nur 4 Körner Ernte, so ist die Bonität nur 4. Bei weniger als 4-facher Ernte hat der Anbau keinen Sinn mehr, denn es muss ja erst das Korn für die nächste Saat abgezweigt werden und der Rest soll für das eigene Essen reichen. Bei der Schätzung sind die Brachjahre ein zurechnen, dass jedes 3., bei schlechten Böden jedes 2. Jahr kein Anbau möglich war ( siehe Dreifelder-Wirtschaft )

Das tägliche Brot

Als während der Jungsteinzeit die Gletscher der letzten Eiszeit das Alpenvorland frei gaben und nach den Pflanzen und Tieren auch die Menschen hier siedeln konnten, war der Ackerbau, genauer der Getreideanbau und in Verbindung damit die Viehzucht, schon erfunden. Der  Mensch hatte damit den wichtigsten Schritt zur Kultur überhaupt getan und war nicht mehr auf zufällige Jagd- und Sammelbeute angewiesen. Die Getreidekörner konnten geplant erzeugt und beliebig lange gelagert werden. Getreide wurde zum Hauptnahrungsmittel, ergänzt durch Milch und jahreszeitlich anfallende andere Lebensmittel, sowie durch ebenfalls planbare Schlachtung der gezüchteten Haustiere.

Bei überwiegender Getreidenahrung isst ein Mensch im Jahr etwa 200 kg Getreide. In Alpennähe reifen die anspruchsvollen Getreidesorten Weizen und Roggen nicht. Dort  war man mit Hafer und Gerste zufrieden. Aus Hafer- und Gerstenmehl  lässt sich kein Brot formen. Dieses Getreide wird nicht zu Mehl gemahlen, sondern  als Brei  zubereitet, was jedoch nichts an der Tatsache der Getreide-Ernährung ändert.

Auch Jäger und Viehzüchter wollen Brot essen, deshalb mußten den Jägern in der Steinzeit sehr schnell die Ackerbauern folgen. Sie wählten die für Getreideanbau tauglichen Böden aus. Wer einen falschen Platz gewählt hatte, wußte das spätestens nach 2 Ernten. Die Platzwahl und Rodung erfolgte jedoch mit großer Zielsicherheit, denn jeder Ackerbauer kann den Boden beurteilen. Auf weniger guten Böden wurde Getreideanbau immer wieder versucht, aber nach Erschöpfung der Böden wieder aufgegeben.

 Ich meine die Orte mit den besten mineralischen Löß-Lehm-Böden, die bei der üblichen Dreifelder-Wirtschaft gleich bleibend ertragreich sind, nämlich die -Hausen-Orte.  Dort  blieben die Bauern sesshaft  bis heute, ohne Unterbrechung seit etwa 6000 Jahren.

Wechsel der Kulturen

Dem Historiker werden nach der vorstehenden Behauptung die Haare zu Berge stehen. In dieser Zeit spielten sich doch viele fein unterschiedene Kulturen ab, von der Stein- über die Bronze- zur Eisenzeit, mit den Kelten, Römern und Bayern. Dazu die Diskussion, wo die Kulturen her kamen und wohin sie verschwanden. Das ist sicher alles richtig. Eines haben alle diese Kulturen gemeinsam, sie aßen Brot  und brauchten deshalb die Bauern, die das Getreide erzeugten. Die Ackerbauern hinterließen keine archäologischen Spuren. Ihre Häuser standen an der gleichen Stelle wie heute. Die guten Äcker werden heute noch genauso gepflügt, wie vor Jahrtausenden. Die Archäologen finden nur untergegangene Siedlungen auf den schlechten Böden.

Römische Siedlungsfunde

2008 sah ich eine Karte, in der alle römischen Siedlungsfunde in Süddeutschland eingezeichnet waren. Vergleicht man diese Karte mit einer Karte aller -hausen-Orte, so fällt auf, daß beide Darstellungen wie Negativformen zusammen passen. Die Römer gaben sich  südlich der Donau mit schlechtem Ackerboden zufrieden. Auf den guten Böden sind  keine römischen Siedlungen zu finden, weil dieses bereits von Getreidebauern besetzt und genutzt wurde. Auf diese Getreideproduktion konnten die Römer nicht verzichten und ließen die Bauern ungestört weiter arbeiten. Deshalb finden wir im -Hausen-Bauernland keine römischen Baureste und die Römerbauten nicht in -hausen-Orten.

Archäologen suchen derzeit nach Pfostenlöchern, um daraus die Häuser zu rekonstruieren. Unsere Hausen-Bauern errichteten zwar Holzhäuser, gruben aber die Eckpfosten nicht in die Erde, sondern begannen den Hausbau mit einem auf dem Boden liegenden Balken. Darauf wurden entweder in Blockbauweise weitere Balken waagrecht über Eck gelegt, oder in Ständerbohlen-Bauweise zimmermännisches  Fachwerk errichtet und ausgefacht. Beide Bauweisen hinterlassen keine archäologischen Spuren im Boden.

Bayerische Besiedlung

Die Ortsnamen mit der Endung -ing gelten als die ursprünglich bayerische  Besiedlung.  Diese Geschichte wurde schon  um 1500  vom ersten Historiker "Aventinus" Johannes Turmair erfunden und gilt seitdem als Dogma. Die -ing-Orte finden sich in Flußauen und  Schotterebenen.  Die bayerischen Viehzüchter haben von den Römern verlassene Orte aufgefüllt und sich mit Boden begnügt, der nur als Weideland, nicht zum Ackerbau geeignet war.  Die Hausen-Orte blieben wieder unverändert bestehen.

Anteil der Landbevölkerung

In Entwicklungsländern sind heute noch 75 % der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig. Es müssen  drei Bauern Überschuss produzieren und verkaufen, damit ein Nicht-Landwirt genügend essen kann. Dieses Verhältnis war bei uns bis 1850 genauso.
Nach Einführung der ersten Maschinen um 1880 waren in Bayern noch 50 % der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft. Jeder Bauer ernährte also gerade eine weitere Familie. (Quelle: Meyers Konversationslexikon)
Heute (2007) sind in Bayern noch etwa 4 % der Erwerbstätigen Landwirte, also kann ein Landwirt 24 andere mit Essen versorgen.
Der Anteil der Landwirte wird weiter auf etwa 2 % der Gesamtbevölkerung sinken. Das ist zweifellos die Quelle unseres heutigen Wohlstandes.

Ohne Maschinen und ohne Kunstdünger sah die Landwirtschaft anders aus.

Das Tagwerk

Die menschliche Arbeitsleistung beim Ackerbau ist durch die Jahreszeit und Tageslänge begrenzt. Da gab es fast eine Norm und nicht zufällig heißt das alte bayerische Flächenmaß für die Äcker "Tagwerk". Da die Ackerfläche örtlich vorgegeben und unveränderlich ist, die Arbeitsleistung eines Bauern mit seiner Mannschaft ebenfalls, so ergab sich für jeden brauchbaren Ackerfleck gleich die Zahl der Bauern. Diese Zahl blieb von der Steinzeit bis zum Jahr 1800 unverändert, denn an der Ackerbautechnik hat sich in diesen 6000 Jahren nichts wesentliches geändert. Pflug und Sense aus Metall erleichterten zwar die Arbeit, aber mit den Steinwerkzeugen wurde schon genauso gepflügt und gemäht.
Auf den besten Böden blieb der Bestand an Bauernhöfen  stets unverändert, während auf schlechteren Böden immer wieder nach wirtschaftlichen Betriebsgrößen gesucht wurde.

Bevölkerungszahl richtet sich nach der Lebensmittelproduktion

Die Zahl der landwirtschaftlichen Bevölkerung richtet sich also nach der Ackerbaufläche. Die übrige Bevölkerung neben den Bauern konnte nur ein Drittel der Bauern zählen. Mehr hätten gehungert. Alle Bevölkerungsverschiebungen und Völkerwanderungen, die unsere Historiker so beschäftigen, berührten stets nur einen kleinen Teil, nämlich die Spitze, der Gesamtbevölkerung. Der große Rest ging still seiner Arbeit nach.

Die Schlachtviehproduktion ist etwas flexibler, da im Alpenvorland reichlich Weideflächen erschlossen werden konnten. Von Fleisch alleine kann der Mitteleuropäer nicht leben. Die Getreideproduktion war stets die entscheidende Größe und andere Produkte, wie Kartoffeln, waren bis vor kurzem unbekannt.

Kontinuität der Bauernarbeit über alle Kulturen hinweg

Alle Eroberer und Herrscher in den letzten 6000 Jahren ließen die Bauern unbehelligt, denn bei einer Unterbrechung der Bauernarbeit hätten sie gehungert. Der Herrscher hat von den Bauern Abgaben verlangt und dafür Sicherheit versprochen. Das führte zur Grundherrschaft..

Die Welt der Bauern wurde durch die jeweilige Kultur wenig beeinflusst. Die Bauern bekamen für ihr Getreide die Töpferwaren der gerade üblichen Keramikmode und haben Sprache, Religion und Sitten der "Kulturträger" nachgeahmt.

Der Ackerbau auf den guten Böden lief also ohne Unterbrechung. Die Bevölkerung wurde jedoch nach Katastrophen teilweise ersetzt. Archivalien sind nur für die letzten 350 Jahre vorhanden. In dieser Zeit kam alle 150 Jahr eine Einwanderungswelle im Raum Dachau an, nämlich

1635 /1650 nach den schwedischen Zerstörungen kamen die "Tiroler".
Um 1800 nach Mißernten und Klimaverschlechterung kamen die "Pfälzer".
Beide Gruppen kamen mit Kapital und wurden hier Bauern.
1945 -1950 kamen die Flüchtlinge, meist "Sudetendeutsche". Das waren und wurden keine Bauern, siedelten sich jedoch in den Dörfern an.
Ausführlicher dazu siehe die Seite Zuwanderung

Militärische Besatzungen

Ich stelle mir die römische Besatzung genauso vor, wie die amerikanische, deren Einmarsch ich selbst erlebt habe. Obwohl Bauern und Besatzung nie direkten Kontakt hatten, spielen die "Diskos" nur noch amerikanische Musik. Bis die Amerikaner endgültig abziehen, werden sich unsere Bauern wie wir alle eine schreckliche deutsch-englische Mischsprache angewöhnen. Innerhalb von 2 - 3 Generationen wird eine fremde "Kultur" übernommen. Zur Römerzeit war es auch so, nur wurde die Kultur von  Missionaren gebracht, heute von den Medien Radio und Fernsehen etc..

Die Hunnen in Ungarn

Als die asiatischen Hunnen Ungarn eroberten, nahm das Volk deren Sprache und Kultur an. Frühe Darstellungen zeigen die Ungarn mit schlitzäugigen asiatischen Gesichtern. Davon ist heute keine Spur mehr. Der asiatische Einfluss ist genetisch völlig verschwunden, die Sprache ist jedoch geblieben. Eine kleine Minderheit kann sich zwar kulturell, aber nicht genetisch durchsetzen.

Genetische Übermacht der Bauern

Mit 3/4 der Bevölkerung waren die Bauern stets in der Überzahl. Das wirkt sich natürlich auf die Fortpflanzung aus. Alle unsere Vorfahren waren Bauern. Bauernkinder lernten auch andere Berufe. In umgekehrter Richtung erfolgte jedoch damals wie heute kaum ein Austausch: Kinder aus anderen Berufen wechseln ganz selten in den Bauernberuf, denn sie können oder wollen das dafür erforderliche Kapital nicht aufbringen.
Zur Römerzeit gab es wie heute eine starke Einwanderung aus Osteuropa und dem Mittelmeerraum. Davon ist nichts übrig geblieben. Nachkommen der Bauern haben durch ihre Überzahl  und stärkere Vermehrung die Einwanderer wieder verdrängt.

Struktur des Bauernstandes

Nur ein Drittel der in der Landwirtschaft Tätigen waren die eigentlichen  Bauern. Die schwere Arbeit wurde von jungen ledigen Knechten und Mägden getan, bis sie eine eigene Familie gründen konnten.  Handwerker hatten Landwirtschaft im Nebenerwerb, Taglöhner fingen die Arbeitsspitzen ab. Tonangebend waren stets die Bauern und ihre Kinder verdrängten  alle anderen. Ausführlicher zur Sozialstruktur.

Verkaufbare Überschüsse an Getreide wurden nur von den Bauern erzeugt. Die Kleinbetriebe waren froh, wenn sie ihren Eigenbedarf decken konnten.

Krisen

Geriet die Bauernschaft durch Kriegszerstörungen, Mißernten, Seuchen oder Inzucht  in eine Krise, so war gleich bäuerliche Bevölkerung aus größerer Entfernung bereit, um die Lücken aufzufüllen und die Arbeit fortzusetzen.

Sinnlos zerstörten die Heere während des Dreißigjährigen Krieges, denn sie wollten nicht auf Dauer erobern, sondern nur ausplündern. Sofort nach Abzug der Feinde waren als erstes wieder die guten Äcker bestellt. Die Zuwanderung aus unzerstörten Gebieten glich die Verluste in kurzer Zeit aus. Andere Bevölkerungsteile, vor allem die Städter, litten viel stärker und länger unter dem Krieg.

Gleiches wird für alle Kriege vorher gelten. Eine flächendeckende Kriegsführung war sowieso nicht möglich. Es wurde stets nur ein kleiner Teil der Bauern vom Krieg geschädigt.

Verteilung der -hausen - Orte

Ein Merkmal unserer Landschaft ist der Waldgürtel südlich von München, der Ackerbau und Grünland trennt. Nördlich bis zur Donau ist Getreideanbaugebiet. Südlich bis zu den Alpen regnet es zu viel und Getreide reift nicht aus. Sucht man die Hausen-Orte auf der Karte, so findet man nur wenige südlich von München in günstigen Buchten, wie Wolfratshausen und Umgebung. Am südlichsten liegen Seehausen und Spatzenhausen am Staffelsee. Dort wird heute kein Getreide mehr gesät. In früherer Zeit könnte das Klima jedoch besser gewesen sein.

Nicht jeder Ort mit der Endung -hausen muss ein echter alter Ackerbauort sein. Neuhausen in München liegt auf Sand und Schotter. Hier sagt schon es der Name Neu-hausen. In Fischhausen am Schliersee wurde kaum Getreide angebaut.  Hilgertshausen   hatte keinen guten Ackerboden.

Nördlich von Dachau bis zur Donau hin sind viele echte Hausen-orte. Auf den guten Böden zwischen Dachau bis Freising gehören alle Orte zum Hausen-Typ. Kein Wunder, daß bei Bernsdorf in der Nähe von Allershausen eine bronzezeitliche Stadt blühte. Die Stadt ist verschwunden, die Bauern blieben. Vielleicht haben sogar die Bauern die Stadt zerstört, als ihnen die Bedrückung zu groß wurde. Zahlenmäßig waren sie stets in der Übermacht.


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(C) 2007 Josef Kiening, zum Anfang www.genealogie-kiening.de