Josef Kiening: Genealogie im Gebiet nordwestlich von München
Wesentlich detailreicher als "Pfarrmatrikel " sind die notariellen Urkunden (" Briefprotokolle ") in den Staatsarchiven . (Adressen der Archive )
Hier finden Sie die wahre Geschichte, das Leben unserer Vorfahren. Alle wichtigen Veränderungen wurden damals wie heute als "freiwillige Gerichtsbarkeit" vom Notar beurkundet. Es geht um Geld, Besitz und Steuern.
Ich habe zum Beispiel die Briefprotokolle des
Pfleggerichtes Friedberg das es bis 1803 gab,
ausgewertet, also den Zeitraum 1705 bis 1803.
Bei allen bearbeiteten Orten in www.genealogie-kiening.de
sind die Hausbesitzer im Kataster von 1812 die Basis für
die Zuordnung der Personen auf Häuser. Im Kataster stehen als
Nachträge manchmal weitere Hausbesitzer nach 1812 mit Datum
des Erwerbes. Es gibt natürlich Kataster (Grundbuch) für die
Zeit bis zur Gegenwart. Diese weiteren Bände habe ich
nicht benützt.
Die Briefprotokolle (Notarurkunden) sind nicht nach Namen, sondern
nach Vorgängen, also Kauf, Übergabe, Quittung, und diese nach
Datum geordnet. Eine Ordnung nach Namen ist nicht möglich, da ein
Vorgang stets mehrere Namen enthält. Für jeden Vorgang habe ich
einen Zettel notiert, zum Beispiel: Johann Huber verkauft 1/8-Gütl
des Kloster A in X-Dorf an Franz Meier aus Y-Dorf. Die
Zettel habe ich nach Ort und möglichst nach Hausnummer abgelegt.
Pfleggericht Friedberg ergab grob geschätzt 5000 Zettel, von denen
im Jahr 2017 noch 4000 im Zettelkasten auf Bearbeitung warten.
Eine Person erscheint regelmäßig in mehreren Urkunden, zum
Beispiel
Alle diese Nennungen werden manuell zu einem
Personendatensatz zusammen geführt, wobei mein Programm auf zwei
Haus-Erwerbe und drei weitere Urkunden beschränkt ist. Nach
Erfassung in der Datensammlung erscheint die Person im
Namensregister. Erst dann ist eine Suche nach Namen möglich.
Die Umsetzung von Briefprotokoll-Zetteln zu Personen erfolgt
häuserweise, da dies die logische Abfolge der Notarurkunden ist.
Grundsätzlich bearbeite ich also ein Haus nach dem anderen.
Durch Heiraten herein und hinaus streuen die Personen in die
Umgebung..
Da die Landbevölkerung vor 1800 kaum schreiben und lesen konnte, ging sie wegen jedem Grundstücks- und Geldgeschäft zu einem Notar ( d.h. zum Richter des für den Wohnort zuständigen Gerichtsbezirkes ). Der Richter oder sein Schreiber hat die Urkunde geschrieben. Von jeder Urkunde gibt es 2 gleichlautende Exemplare: Eines wurde den Beteiligten ausgehändigt (und ist selten bis heute erhalten) und eines wurde im Amt aufbewahrt. Alle Notar-Urkunden eines Jahres wurden zu einem Buch gebunden und sind jetzt in den Staatsarchiven.
Innerhalb des Gerichtes sind die Urkunden nach
Jahr, Amt, und Datum geordnet. Für die Suche muss man also erst
das Gericht, siehe Historischer Atlas
von Bayern
außerdem das Amt und (wenigstens ungefähr ) das Datum wissen.
Der Notar schrieb mehrere Urkunden am gleichen Tag. Nur bei der
ersten trug er das Datum ein. Die weiteren Urkunden
enthalten nur "actum et supra" oder ähnlich, "geschrieben am
gleichen Tag". Um die Urkunden zu datieren, muss man die
vorhergehenden Urkunden anschauen, die für ganz andere Leute und
Objekte geschrieben wurden, bis man auf einen Datum-Eintrag stößt.
Wenn Sie nur die Kopie einer Seite mit Datum "am gleichen Tag"
haben, können Sie diese Urkunde nicht datieren und es wird auch
schwierig, diese Seite im Buch wieder zu finden, außer die Seiten
sind nummeriert.
Die Briefprotokolle sind bei etwas Übung nicht schwer zu lesen, da sich die juristischen Texte damals wie heute nach den Gesetzen richten. Auch heute benützen die Notare einheitliche Vorlagen für ihre Urkunden und früher war das genauso. Der Wortlaut jedes nachstehenden Urkundentyps ist fast einheitlich. Der Leser lernt den Standard-Text bald auswendig und sucht nur nach den Variablen, also Namen, Orte und Beträgen.
Der Besitzübergang zwischen Lebenden infolge des Generationswechsels in einer Familie wird Übergabe genannt. Einer oder eine aus der jungen Generation wird Eigentümer. Die alte Generation erhält dafür den "Austrag". Geschwister zur jungen Generation sind wie bei einem Erbfall auszuzahlen. Ab 1650 war Übergabe und Heirat der neuen Generation meist zeitgleich. Vor 1650 erfolgte wegen des bis dahin verbreiteten Leibrechtes die Heirat häufig vor der Übergabe.
Beispiel-Texte : Wertberechnung, Textbeispiele für einen Großbauern und einen Häusler (mit Erläuterungen und Kommentar)
Die Alterssicherung und Versorgung der durch eine Übergabe besitzlos gewordenen "Austrägler" wird hier geregelt. Nach der Übergabe tauchen die Austrägler nur noch selten in den Urkunden auf. Das Todesdatum kann Jahre später liegen. Beispiel-Texte: Großbauer, anderer Großbauer, seltsamer Austragsbrief
Bei Besitzwechsel durch Kauf ist dies die einzige Quelle, etwas über die Herkunft des Käufers zu erfahren. In den Pfarrbüchern führt ein Besitzwechsel durch Kauf durch eine bereits an anderem Ort verheiratete Familie regelmäßig zu einem "Toten Punkt", der nur durch diesen Quellentyp im Staatsarchiv überwunden werden kann. Beispiel-Text
Auch Heiratsbrief genannt. Der einheiratende Gatte bzw. die Gattin verpflichtet sich zur Zahlung eines Heiratsgutes , in bar oder in Raten. Dafür erwirbt er / sie den Hälfteanteil des Eigentumes. Das Heiratsgut sollte also den halben Schätzwert des Anwesens betragen. Stirbt der / die Einheiratende ohne Kinder, so wird das Heiratsgut nach Abzug der Beerdigungskosten an die Verwandtschaft zurück bezahlt. Sind Kinder vorhanden, steht das Heiratsgut als Vater- oder Muttergut den Kindern zu. Die Eheverträge enthalten Herkunftsangaben, meist Eltern oder einen Bruder. Beispiel-Text
Die Erben schließen über den Nachlass eines Toten einen gerichtlichen Vergleich. Diese Quelle enthält die zuverlässigsten Verwandtschaftsangaben, viel zuverlässiger als die leicht irreführenden Taufbücher. Ist der Verstorbene hochbetagt oder erben gar seine Geschwister, da er keine Nachkommen hat, so entstehen komplizierte und umfangreiche Verwandtschaftsbeschreibungen über mehrere Generationen, die absolut zuverlässig sind. Da die Erben über eine größeres Gebiet verstreut sein können, können Verwandtschaften auch in sonst quellenlose Orte (durch verlorene Pfarrbücher etc.) zeigen.
In Bezug auf die Person des Toten ist vom Nachlass, beim Empfänger aber vom Erbe die Rede.
Wer seinen Gerichtsbezirk verlassen und sich anderswo niederlassen wollte, benötigte einen Geburtsbrief seiner Heimatbehörde.
Eine Art Anstellungsvertrag oder Monopolvereinbarung für einen Handwerker: Schmied, Bader, Müller . Ausführlicher siehe Ehaftsbrief .
Der Briefprotokoll-Titel Ankunftsbrief taucht auf, wenn eine Immobilie den Besitzer wechselt, aber nur ein Vertragspartner existiert, nämlich der neue Besitzer und weder Elternteile, noch Geschwister leben, mit denen er sich "vergleichen" müßte. Diese Form kommt also nur bei Alleinerben vor oder bei Zubau-Grundstücken, für die nicht das gleiche Gericht wie beim Haus-Grundstück zuständig ist. Das Gericht bestätigt und verbrieft, daß der neue Eigentümer auf der Immobilie "angekommen" ist. Bei Zubau-Grundstücken beruft es sich dabei auf die vorgelegte Urkunde für das Hausgrundstück, die bereits vom dafür zuständigen Gericht geschrieben wurde. Interessant ist das, wenn vom anderen Gericht die Archivalien fehlen.
Regelmäßig wurde für eine Übergabe oder einen
Nachlaß ein Besitz-Inventar aller Haushalts- und
Vermögens-Gegenstände erstellt. Leider sind diese
hochinteressanten Listen selten erhalten. Beispiel-Texte: Inventare mit Kopien der Original-Urkunden als Leseübung.
Bei Übergabe, Kauf oder Erbvergleich wurden Zahlungen vereinbart. Die Zahlung erfolgte häufig Jahre oder gar Jahrzehnte später oder in Raten. Nach erfolgter Zahlung wurde vom Zahlungsempfänger eine Quittung verlangt und diese vom Notar erstellt. Ist die ursprüngliche Urkunde nicht mehr vorhanden, so kann die Quittung ein guter Ersatz sein. Ausführliches Beispiel
Da hier selten Verwandtschaftsangaben enthalten sind, ist dieser Urkunden-Typ für den Familienforscher wenig ergiebig.
Das ist eine Art Anstellungs- und Mietvertrag mit Lebensversicherung. Der aufgenommene Tagwerker oder Hüter erhält von der Dorfgemeinde Arbeit, Wohnung im Gemeindehaus und im Invaliditätsfall Versorgung, ebenfalls Versorgung von Waisenkindern. Diese Verträge erhellen die Schicht der Besitzlosen, sind aber zu selten, um solche Familien ausreichend erforschen zu können.
Um solche Urkunden zu verstehen, muss man über eine Verwandtschaft schon gut Bescheid wissen. Schwierig zu lesen und wenig ergiebig.
Notarurkunden aus der freiwilligen Gerichtsbarkeit und Urkunden der Strafgerichte sind normalerweise getrennt archiviert. Nur in manchen Hofmarken erscheinen die Protokolle von kleinen Straftaten, für die der Hofmarksrichter zuständig war, zwischen den anderen Urkunden. Sie ergeben ein farbiges Bild der früheren Lebensumstände und sind amüsant zu lesen. Ausgesprochen wurden Verwarnungen und kleine Geldbußen. Nur wer keine Geldstrafe zahlen konnte, musste einige Tage in den Stock oder bei Frauen in die "Geige". Bei Leichtfertigkeit, das ist die Geburt eines unehelichen Kindes, kann ein solches Straf-Protokoll sogar für die Familienforschung interessant sein.
Zu den Quellen-Angaben
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(C) Josef Kiening, zum Anfang www.genealogie-kiening.de