Josef Kiening: Genealogie und Häuser im Gebiet nordwestlich von München
Geändert und ergänzt 6.10.2016
Der ernsthafte Familienforscher befasst sich mit
Original-Quellen, die in den Archiven reichlich vorhanden sind. Er
sucht zwar normalerweise nur seine persönlichen Vorfahren heraus,
wird aber im Umgang mit den Original-Quellen allmählich einen
anderen Blick auf die Geschichte bekommen. Aus Gesprächen weiß
ich, daß viele Familienforscher ähnliches erfahren und beobachtet
haben. Der Familienforscher reiht nicht nur Daten an einander,
sondern versucht sich das Leben der Vorfahren vorzustellen.
Meine Forschungen und die nachfolgenden Beobachtungen beziehen sich nur auf Altbayern. Wie die meisten Familienforscher wusste ich von der Geschichte das, was ich in der Schule gelernt habe und danach in populärwissenschaftlichen Darstellungen gelesen habe. Mit so einem blassen Geschichts-Wissen ging ich an die Originalquellen heran. Danach änderte sich mein Geschichtsbild radikal. Ich erzähle die Änderungen in zeitlicher Reihenfolge. Weitere Details werden noch ergänzt.
Man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen:
Bis etwa zum Jahr 1850 starben 50 % der Kinder im Säuglingsalter.
Dann griffen Maßnahmen des Staates, wie Hebammen-Ausbildung,
Verbot von Abtreibung, Pocken-Schutzimpfung und Verfolgung der
"Engelmacherinen". Details siehe bei Todesursachen,
speziell der Absatz über "Fraisen". Die hohe
Kindersterblichkeit war für den Verfasser, nicht einmal 100
Jahre nach 1850 geboren, völlig neu, unvorstellbar.
Ich möchte daraus ableiten, daß auch Zustände, die man sich
heute nicht mehr vorstellen kann, wie die "ketzerischen Thesen"
weiter unten, durchaus realistisch sein können.
Die Behauptung, dass die Menschen vor einigen 100 Jahren
fruchtbarer waren und mehr Kinder hatten, ist schlicht falsch. Es
wurden mehr Kinder geboren. Diese sind jedoch aus Mangel an Pflege
meist gleich wieder gestorben. Die Pfarrer haben zwar die Taufen
im Taufbuch eingetragen, fanden aber Sterbeeinträge für Säuglinge
nicht die Mühe wert. Siehe unten: Altersaufbau der Bevölkerung und
Bevölkerungszahl.
Von der Schule her wird ( in meiner Generation) jeder nach seiner deutschen Rechtschreibung beurteilt. Dabei ist diese Rechtschreibung eine ziemlich neue Erfindung, etwa erst ab 1900. Zuvor schrieb jeder, wie er hörte. Das einfache Landvolk lernte erst ab 1800 Lesen und Schreiben. Was wir in den Archivalien lesen, wurde von professionellen Schreibern zu Papier gebracht. Rechtschreibregeln, wie wir sie lernten, waren selbst diesem Personenkreis unbekannt. Oft muss man ein Wort mehrmals vor sagen und nach ähnlich klingenden Worten suchen. Die Schreibung der Personennamen und Ortsnamen stellt die Familienforscher oft vor Probleme. Ausführlicher dazu Phonetische Namenssortierung.
Die alten Schriften zu lesen kann man lernen. Das ist nur
Übungssache.
Viele Bürger stehen der Verwaltung verständnislos bis feindlich
gegenüber, besonders dem "Finanzamt".
Da unsere Vorfahren selbst keine Aufzeichnungen hinterlassen
haben, wühlt der Familienforscher in dem Papier, das die frühere
Verwaltung hinterlassen und sorgfältig aufbewahrt hat.
Es ist unvermeidlich, sich mit den Strukturen der früheren Verwaltung zu befassen. Siehe auch Staats-Archiv.
Wenn wir die Lebensumstände unserer Vorfahren erforschen, lernen
wir die wahre Geschichte, nämlich die der Steuerzahler. Das hat
einen einfachen Grund: Das in den Staatsarchiven lagernde
Jahrhunderte alte Papier wurde nicht für spätere Familienforscher
beschrieben, sondern zum Zweck der Steuer-Erhebung. Je mehr Steuer
unser Vorfahre bezahlte, umso interessanter war er für den Staat
und umso reichlicher sind die archivalischen Quellen. Nur ganz
Arme, denen man keine Steuer abnehmen konnte, werden in diesen
Archivalien nicht genannt.
Wer in der Stadt in einer Mietwohnung lebt, hält das "Heiratsgut"
für eine Erfindung des Bauerntheaters. Für die Bauern hat es nach
wie vor seine Bedeutung. Siehe dazu Heiratsgut
. Mit dem eingebrachten Heiratsgut wurde Miteigentum am Anwesen
erworben.
Die Landbevölkerung, bzw. das Bauerndorf hatte feine Sozialstrukturen. Jeder wurde in einer
bestimmten Schicht geboren und hatte keine Chance, diese zu
verlassen. Sozialer Aufstieg war praktisch unmöglich, sozialer
Abstieg der "Überzähligen Kinder" jedoch die Regel. Die
unterste Schicht ließ ihre Kinder ohne Bedauern sterben, da sie
wusste, dass diese Kinder nichts anderes zu erwarten hatten, als
das ganze Leben als Bauernknecht oder Bauernmagd zu dienen.
Das Gebiet nordwestlich von München war zweimal von diesem Krieg betroffen. Dabei gingen die meisten älteren Archivalien verloren und nach dem Krieg kam die Verwaltung nur langsam wieder in Gang. Ausführlicher Überleben im Dreißigjährigen Krieg
1980 hat der Vulkan Mt. St. Helens in USA eine große Aschenmenge in die Athmosphäre geschleudert, was sich auf der ganzen Nordhalbkugel als niederschlagsreicher Sommer auswirkte. Damit erkannte man den Zusammenhang und hatte eine Deutung für die Mißernten von 1815 bis 1817, nachdem der Tambora in Indonesien am 10.April 1815 als größter Vulkanausbruch der letzten 10000 Jahre gilt.
Ähnliches entdeckte ich für das Jahr 1771. 1770 - 1771 waren
viele Vulkane besonders aktiv. Ursache für die Mißernte bei uns
waren wohl Vesuv, Stromboli und Vulcano (Liparische Inseln),
alles Aschen-Vulkane. Das Wetter wird von Aschenauswurf
beeinträchtigt. Dabei muss in unmittelbarer Umgebung des Vulkans
kein großer Schaden entstehen, so dass die Ausbrüche nicht als
besonders schlimm registriert wurden.
Familiennamen entstanden auf dem Land erst nach 1500. Das ist die Grenze der Familienforschung. Siehe dazu Familiennamen
Unter unseren bayerischen Historikern herrschte 1980 eine
Wittelsbacher-Jubelstimmung. Haben diese Leute, die Historiker und
ihre Auftraggeber, noch nicht gemerkt, daß wir keine
Monarchie mehr haben?
Auffallend ist auch, dass die Historiker ungern die Zeit ab 1650
erforschen. Ursache sind die ab 1650 sehr reichlich vorhandenen
Archivalien, deren Menge zu bearbeiten allein schon sehr mühsam
ist. Mit www.genealogie-kiening.de wird der
Versuch unternommen, für ein Gebiet etwas größer als ein
Landkreis alle personenbezogenen Archivalien von
1650 bis 1800, sowie die Pfarrbücher, so
weit greifbar, bis 1900 aufzulösen. Zur
Auswertung der gesammelten Daten war noch keine Zeit, aber
das soll noch ergänzt werden.
Es wird vielfach publiziert, im Jahr 1900 sei der
Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland gleichmäßig
kegelförmig gewesen. Das ist falsch. Im alten Lexikon findet man
die richtige Statistik. Zum Beispiel hat der Krieg 1870-71 eine
deutliche Einbuchtung im Kegel verursacht. Außerdem fehlen in
allen Darstellungen die Nulljährigen, das sind die Kinder, die im
Jahr 1900 geboren und vor der Volkszählung am 31.12.1900 schon
wieder gestorben sind. Zeichnet man diese dazu, bekommt der
Kegelhut eine breite Krempe, denn die Säuglingssterblichkeit war
1900 noch erheblich.
Bei der Bearbeitung der Taufbücher sind mir erstmals die unterschiedlichen Jahrgangsstärken aufgefallen. 1771 wurden deutlich weniger Kinder als in den Jahren vorher und nachher geboren. Bei allen Pfarreien war das gleich. Als Ursache fand ich die Hungerjahre nach durch die von den oben genannten Vulkanausbrüchen verursachten Missernten. (Siehe dazu Listen der Taufen nach Datum bei den vollständig bearbeiteten Pfarreien. )
Das brachte mich zur Erkenntnis, dass die Bevölkerungszahl stets den Erwerbsmöglichkeiten angepasst wird, vom Staat nicht zu beeinflussen.
Das zeigt sich sogar bei den Geburtszahlen. Ist eine Anpassung
bei den Geburten nicht möglich, etwa bei den armen Familien und
aus Mangel an Empfängnisverhütungsmitteln, so wird eben über die
Kindersterblichkeit reguliert.
In beiden Kriegen wurden von Deutschland "alte" Männer über 30
Jahren in den Krieg geschickt, denn die jungen Soldaten-Jahrgänge
(18 bis 30 Jahre) waren zahlenmäßig schwach. Besonders krass
war dies im 2. Weltkrieg. Es gab kaum Männer der Jahrgänge 1914
bis 1926. Siehe dazu Demographische Folgen
des 30-jährigen Krieges
Es hat 60 Jahre gedauert, bis um 2005 auf breiter Basis die
Nazizeit wieder zum Thema wird. Die Akteure mussten wohl erst
gestorben sein und die Kinder-Generation das Rentenalter
erreichen, bis man begann, über die Nazizeit nachzudenken.
Die Nazizeit, als Zeit des vom Staat verordneten Irrsinns, ist
noch lange nicht aufgearbeitet. Eine besondere Quelle speziell für
den Familienforscher wären die Feldpostbriefe zwischen den Frauen
in der Heimat und den Soldaten an der Front. Leider wurden diese
fast täglich geschriebenen Briefe von den Beteiligten
spätestens bei Kriegsende oder Heimkehr sorgfältig
vernichtet. Man muss sich das mal vorstellen, da mussten
Leute, die zwar lesen und schreiben gelernt haben, aber im Alltag
nie etwas geschrieben haben, plötzlich ihre Intimsphäre
schriftlich formulieren. Und die Zensur hat das vor
Aushändigung an den Empfänger alles gelesen.
Mein Vater hat um 1988 auf meine Bitte hin seine Lebensgeschichte aufgeschrieben. Darin nimmt die Kriegszeit einen breiten Raum ein. Das meiste wußte ich schon aus seinen Erzählungen. Erst Jahre später, nach seinem Tod, ist mir vieles eingefallen, was ich ihn noch hätte fragen müssen. Leider ist es dafür zu spät.
Aus dem Leserkreis erreichen mich immer wieder Fragen, die ähnliche Probleme anfassen, etwa dass die Enkelin vermutet, ihr Großvater sei in Wirklichkeit ein französischer Kriegsgefangener (namens "Gaston") , da der Ehemann der Großmutter zur fraglichen Zeit in Rußland im Krieg war und gefallen ist. Leider hat sie die Großmutter nicht zu Lebzeiten gefragt.
So bin ich froh, daß ich wenigstens persönliche Lebensgeschichten aus meiner
Verwandtschaft besitze.
Die Hauserbauern, etwas das die
Historiker noch nicht bemerkt haben.
Die Viehhaltung im Stall wurde
hierzulande erst um 1800 eingeführt.
Nur am Rande zum Thema gehört mein Aufsatz über (Kelten-)schanzen .
Da der Anfang meiner Familienforschung die Nazizeit-Ahnentafel
eines bäuerlichen Onkels war, habe ich nie versucht, Wappen meiner Vorfahren zu finden.
Es ist Mode, den Wahrheitsgehalt von Forschungen durch Berufung
auf Computer-Berechnungen zu erhöhen. Wenn der Computer
etwas berechnet hat, muss es richtig sein. Jede Erkenntnis
oder Behauptung wird mittels einer Computer-Berechnung zur
unumstößlichen Wahrheit.
Ist etwas nicht gleich überschaubar, wird es als künstliche
Intelligenz bezeichnet.
Eine künstliche Intelligenz gibt es nicht und wird es nie geben. Bestenfalls schaffen die Programmierer intelligente Programme.
Der Computer ist ein Werkzeug und genau so intelligent wie ein
Hammer.
Mit einem Hammer kann ein Kunstschmied aus glühendem Eisen ein
Kunstwerk schaffen. Doch niemand wird den Hammer als Schöpfer
eines Kunstwerkes bezeichnen, obwohl der Schmied ohne Hammer aus
dem Eisen nichts schmieden könnte.
Beim Hammer ist es völlig einsichtig. Der Computer wird von
Menschen, die nichts davon verstehen, zu einem magischen
Instrument stilisiert. Auch der Schmied galt
früher als Beherrscher des Feuers als magische Person.
Computer können nützliche Werkzeuge sein, ebenso wie die eisernen
vom Schmied her gestellten Werkzeuge dem Menschen ganz neue
Möglichkeiten gaben. Diese Werkzeuge können auch schädlich sein,
wie eiserne Waffen, vom Schwert angefangen bis zur Kanone.
Umgekehrt ist es richtig: Es gibt keine intelligenten Computer oder Werkzeuge, aber es gibt Menschen mit geringer Intelligenz, denen mit solchen Märchen Angst gemacht wird.
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(C) Josef Kiening, zum Anfang www.genealogie-kiening.de